Interview mit Peter Bader, Geschäftsführer ifm Schweiz Der Klick-Klack-Sensor war gestern
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Zukunftstechnologien wie künstliche Intelligenz erfordern Unmengen von Daten aus dem Umfeld. Diese kommen hauptsächlich von intelligenten Sensoren.

Spricht man auf dem Automatisierungsmarkt von Sensorik, kommt man an der Firma ifm electronic nicht vorbei. Die «Aktuelle Technik» besuchte Peter Bader, Geschäftsführer ifm Schweiz, in Härkingen und sprach mit ihm über intelligente Sensorik, die Veränderungen in der Branche und über Markttrends wie IoT oder Predictive Maintenance.
Herr Bader, in den Achtzigerjahren verstand man allgemein unter Sensoren schaltende Komponenten, die entweder ein Ein- oder Aus-Signal oder einen analogen Spannungs- oder Stromwert lieferten. In den Neunzigern bis Anfang Zweitausender war die Anbindung an Feldbusse aktuell. Was muss ein intelligenter Sensor heute bieten?
Die Anforderungen der Kunden gehen in die Richtung, dass die Sensoren nicht nur z. B. einen analogen Messwert liefern, sondern zusätzlich Daten wie Ausfalldauer oder die zu erwartende Lebensdauer. Diese müssen einfach und vor allem schnell an die Prozesssteuerung übermittelt werden können. Die heutigen Sensoren senden Unmengen von Daten. Von der Steuerungsseite besteht die Anforderung der Filterung und der richtigen Weiterverarbeitung. Über die IO-Link-Technik liefert heute selbst ein einfacher Näherungsschalter, der früher als Klick-Klack bezeichnet wurde, derartige Daten. ifm unterstützt in erster Linie den IO-Link, der sich als Kommunikationssystem für intelligente Sensoren klar durchsetzt. Jeder Sensor der neueren Generation von ifm ist IO-Link-tauglich. Der IO-Link mit einer digitalen Datenübertragung hat wesentliche Vorteile gegenüber der analogen Technik und ist schneller und genauer. Die Sensorwerte werden zudem ohne Verlust übertragen.
Wie funktioniert die Anbindung von IO-Link an einen Standard-Ethernet-Feldbus wie ProfiNet, Powerlink oder EtherCAT?
Die digitalen und analogen Sensoren werde über einen IO-Link-Master zusammengefasst. Dieser lässt unterschiedliche Anbindungen an einen Standard-Ethernet-Bus zu. Aus diesem Grund ist es für den Anwender möglich, den IO-Link in seiner Anlage nachzurüsten. Letztendlich entscheidet der User, welche Daten er in welche Ebene, z. B. auch ins ERP-System, übertragen möchte.
Wie hat sich die Beratung mit der erhöhten Komplexität der Sensorik verändert?
Sie hat sich in den letzten 20 Jahren massiv verändert. Sie ist viel intensiver geworden und dauert in der Regel länger. Der Kunde braucht heutzutage keine Beratung zu einem induktiven Sensor mehr. Die Unterstützung geht vermehrt in Richtung Komplettsysteme. Wir von ifm fragen unsere Kunden, was sie genau planen und welche Aufgaben sie zu lösen haben. Anhand dieser Informationen legen wir das Konzept aus. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter wesentlich mehr von uns geschult werden. Das verlangt vom Vertriebsmitarbeiter ein höheres technisches Niveau. Es sitzt heute nicht nur der Elektroplaner, sondern auch der Steuerungsprogrammierer oder der IT-Verantwortliche am Tisch mit Fragen, wie z. B. die Datenanbindung und -weitergabe funktioniert. Oder welche Daten überhaupt verfügbar sind. Deshalb haben wir in der Schweiz nebst unseren sieben Vertriebsmitarbeitern noch einen Systemvertrieb, der sich genau mit diesen Themen auseinandersetzt. Zudem verfügen wir über einen Projektleiter, der bei komplexeren Systemen die Anforderungen des Kunden aufnimmt, mit ihm zusammen einen Projektplan erstellt und ihn bei der Umsetzung unterstützt.
Der Wettbewerbsdruck ist im Sensorbereich besonders hoch. Was unterscheidet ifm electronic gerade in Bezug auf intelligente Sensoren von den Mitbewerbern?
ifm verfügt über ein breites, nahezu vollständiges Produktportfolio. Dazu gehören Positionssensorik, Condition Monitoring, industrielle Bildverarbeitung und Sicherheitstechnik. In allen Bereichen ist immer der IO-Link dabei. Viele Kunden wissen zum Teil gar nicht, dass der IO-Link bei ifm immer im Sensor integriert ist. ifm ist im Übrigen der Sensoranbieter mit dem grössten Produktsortiment für den IO-Link.
ifm beliefert unterschiedlichste Branchen wie z. B. die Lebensmittelindustrie, mobile Arbeitsmaschinen oder auch Werkzeugmaschinen. Inwiefern unterscheiden sich die Anforderungen?
Wenn wir zum Beispiel die Werkzeugmaschinen- und die Lebensmittelindustrie vergleichen, sind bezüglich Dichtheit, Robustheit und Genauigkeit der Sensoren praktisch keine Unterschiede feststellbar. In beiden Branchen ist ein Sensor zum Teil einer recht rauen Umgebung ausgesetzt. In der Lebensmittelindustrie muss der Einbau des Sensors zusätzlich noch keimfrei sein und die Werkstoffbezeichnung V4A (Edelstahl, rostfrei) tragen. Oder es wird bezüglich der Schutzart IP 69K gefordert, da die Anlagen mit dem Hochdruckreiniger abgespritzt werden.
Bei der Werkzeugmaschine wird dafür ein höherer Datendurchsatz gefordert. Nehmen wir die mobilen Arbeitsmaschinen, wird bei diesen nach wie vor der CAN-Bus verwendet. Hierfür bieten wir spezielle Sensorik mit E1-Zulassung an. Zudem sind die Anforderungen bezüglich Temperatur- und Vibrationsverträglichkeit in dieser Branche wieder anders. Die geforderten Daten, die ein Sensor für den Einsatz in mobilen Arbeitsmaschinen liefern muss, sind allerdings wieder dieselben. Auch wenn wir in der Schweiz nicht so grosse Hersteller im Kraftfahrzeugbau wie unsere europäischen Nachbarn haben, durften wir einige interessante Projekte für die Bahntechnik, für Baumaschinen, Kommunalfahrzeuge und für Aufbauten für Feuerwehrfahrzeuge ausführen.
Welches sind für ifm die Hauptabsatzmärkte in der Schweiz?
Unser wichtigster Absatzmarkt ist sicher die Werkzeugmaschinenindustrie. Wir bieten jedoch für praktisch alle Industriezweige Produkte und Lösungen an. Ein weiterer sehr bedeutender Markt ist für ifm die Lebensmittelindustrie. Unsere Kunden setzen die Sensoren bei grossen Unternehmen wie Migros und Coop ein. Als Mittler sind für uns Engineering-Firmen wichtig, auch wenn diese nicht direkten Umsatz generieren. In diesen Unternehmen wird vielfach über die Technologie entschieden. Wir führen hier in Härkingen Seminare durch, im Moment verstärkt für mobile Arbeitsmaschinen mit Schwerpunkt der Programmierung für die CAN-Anbindung. Weiter bietet ifm IO-Link-Workshops und Tagungen zu speziellen Themen wie Vibration.
IoT (Internet of Things) ist in aller Munde. Mit welchen Ideen, Produkten und Systemen reagiert ifm auf diesen Trend?
Um die Problematik IoT anzugehen, hat sich ifm mittlerweile anders und zum Teil neu aufgestellt. Wir haben Unternehmen übernommen, die das spezifische Know-how im Bereich IoT und Industrie 4.0 mitbringen. Als Beispiele eine Organisation für Systemprogrammierung und ein Unternehmen, das sich spezifisch mit Lösungen für die Lagerbewirtschaftung und Produktionsplanung mit SAP auseinandersetzt. Es wird ein Kompetenzzentrum aufgebaut, das sich gezielt mit der Problematik des Datenflusses vom Sensor bis ins ERP-System auseinandersetzt. Da sind bezüglich Datendurchgängigkeit noch einige Hürden zu überwinden. Und genau hier arbeitet ifm hin: dass unsere Branche über IO-Link eine einheitliche Kommunkationsplattform anbietet und so dem Kunden die Anbindung an ein ERP-System erleichtert wird. Hierzu sind auch Cloud-Lösungen im Gespräch. Wir arbeiten daran, Softwarelösungen zu entwickeln, um IO-Link-Daten weiterzugeben, denn wir sehen im IO-Link ganz klar die Zukunft.
Welche Trends stellen Sie grundsätzlich im Bereich der intelligenten Sensorik fest, Stichwort digitale Transformation und künstliche Intelligenz? In welchen Branchen ist der Druck besonders hoch, in diesem Bereich Innovationen zu bieten, um einen Wettbewerbsvorsprung zu erreichen?
Wir von ifm stellen fest, dass es sich hauptsächlich um Unternehmen handelt, die sich schlicht und einfach keine Stillstände in der Produktion erlauben können. In diesem Bereich wird eine lückenlose Überwachung der kritischen Elemente einer Anlage gefordert. Natürlich betrifft dies auch Firmen, die solche Produktionsunternehmen mit ihren Maschinen und Anlagen ausrüsten. Nehmen wir als Beispiel Werkzeugmaschinen, die in der Automobilindustrie eingesetzt werden. In einer solchen Produktion kommt ein Stillstand einer Katastrophe gleich. Wir erfahren, dass der Überwachungsgrad der Maschinen noch weiter steigt, einfach um diese Stillstände möglichst zu eliminieren. Es versteht sich von selbst, dass hier die Anforderungen bezüglich Lebensdauer, Geschwindigkeit und Datenqualität extrem hoch sind. Wir sprechen hier von Sensoren für die Überwachung von Druck, Durchfluss, Niveau oder Vibration. Übrigens spricht man heute bei der Lebensdauer nicht mehr von der Anzahl der Schaltzyklen, sondern vom MTTF (Mean Time To Failure, mittlere Betriebsdauer bis zum Ausfall).
Aktuell besteht die Anforderung, dass diese Werte im ERP-System abgebildet werden, damit frühzeitig erkannt wird, wann ein Austausch eines Sensors erforderlich wird. Dann wird der Wechsel für die nächste Wartung oder bei einer Revision eingeplant, auch wenn der Sensor noch funktioniert.
Wie weit sollen aus Sicht von ifm Algorithmen zum Beispiel für künstliche Intelligenz bereits im Sensor integriert sein, und welche gehören in den übergeordneten Rechner? Wie sieht der optimale Datenaustausch aus?
Moderne Sensoren senden eine Datenflut praktisch aller möglichen Werte, die vom Kunden erwartet werden. Ein Durchfluss-Sensor zum Beispiel liefert, nebst dem Messwert, als analogen Wert auch die Temperatur, Lebensdauer, eine Überwachung über eine parametrierbare Hysterese etc. Ein Lichttaster liefert den Wert des Verschmutzungsgrads der Linse. Am Ende entscheidet der Anwender, welche Daten er nutzen möchte. Mit dem IO-Link-Master besteht die Möglichkeit, über Programmierung die Daten zu filtern. Die meistgestellte Frage von unseren Kunden ist deshalb: Wie bringe ich meine Daten optimal in mein System? Unsere Aufgabe besteht darin, ihn bei dieser Aufgabe zu beraten und zu unterstützen.
Worin sehen Sie momentan die grössten Herausforderungen für die Hersteller von Sensorik, und wie wirken sich diese in der Praxis aus?
Die grössten Herausforderungen bestehen nach wie vor in der laufenden Miniaturisierung bzw. der Kompaktheit, der Resistenz gegenüber Umwelteinflüssen und der Lebensdauer. Gerade der Kompaktheit sind irgendwann physikalische Grenzen gesetzt, wenn es um Vibration oder beim Ex-Schutz, wo es um eine erhöhte Schlagfestigkeit geht, die nach einer neuen ATEX-Norm gefordert wird.
ifm gewährt seinen Kunden fünf Jahre Garantie, unabhängig von Umwelteinflüssen. Auch dies stellt für uns eine hohe Herausforderung dar. Zudem gibt es Unternehmen, die von einem Sensorherhteller eine Lieferfähigkeit von 95 Prozent fordern, was von der Logistikseite her gelöst werden muss.
Von welchen besonders spannenden Projekten bei Ihren Kunden können Sie aktuell berichten?
Ein tolles Projekt ist gerade bei einem grossen Nahrungsmittelhersteller für Produktionsanlagen für Milchpulver im Gang. In diesen gibt es eine Förderschnecke für das Milchpulver. Wenn die Schnecke eine Unwucht aufweist, beginnt sie zu schlagen, sie schleift an der Wand, und es gibt einen Abrieb in Form von kleinsten Metallpartikeln im Produkt. Wenn dies eine Organisation zum Beispiel in den Vereinigten Staaten feststellt, entstehen für das Unternehmen massive juristische Probleme. An dieser Schnecke wird nun eine Vibrationsüberwachung mit einer Auswerteeinheit von ifm montiert, welche die Unwucht misst und überwacht. Wird eine bestimmte Grenze an Vibration überschritten, löst das System sofort einen Alarm aus, und die Anlage stoppt augenblicklich. Die Tests zur Machbarkeit dafür liefen über eine längere Zeit, und die Resultate waren beeindruckend. Nun können wir eine vollständige Lösung inklusive Auswertebox mit Monitor im Edelstahlgehäuse anbieten. Auf dem Monitor lassen sich die Messkurven und natürlich auch die Alarme anzeigen und quittieren. Das Projekt wurde vollständig in der Schweiz abgewickelt und kann nun verkauft werden. Es zeigt wunderbar auf, wie sich ifm vom klassischen Produktlieferanten zum Systemanbieter gewandelt hat.
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