50 Prozent Netto-Energiegewinn Durchbruch bei Kernfusion
Kernfusion verspricht klimaneutrale, günstige und in Massen produzierbare Energie. Weltweit wird daher versucht, eine Mini-Sonne auf der Erde zu bauen. Erstmals soll es nun gelungen sein, eine Reaktion zu zünden, die mehr Energie liefert, als sie benötigt.

Kernfusionsreaktionen sind der Grund dafür, dass Sterne Unmengen Energie abstrahlen. So liefert beispielsweise unsere Sonne so viel Energie, dass sich in rund 150 Millionen Kilometer Entfernung auf der Erde Leben entwickeln konnte. Und dass, obwohl der blaue Planet nur einen winzigen Bruchteil der von der Sonne ringsum abgestrahlten Gesamtenergie abbekommt. Kein Wunder, dass Wissenschaftler seit Jahren versuchen, diese Art der Energieerzeugung nachzubilden – und quasi eine Mini-Sonne auf der Erde zu bauen. Zumal sie im Gegensatz zur Kernspaltung praktisch keine gefährlichen, radioaktiven Nebenprodukte erzeugt.
Doch trotz mittlerweile 70-jähriger Forschung und etlichen milliardenteuren Experimenten ist es bislang nicht gelungen, bei einer Kernfusion mehr Energie zu erzeugen, als zur Aufrechterhaltung des Prozesses zugeführt wird.
Bis jetzt.
Nach eigenen Angaben haben Forschende nun einen historischen Durchbruch erzielt: Erstmals wollen sie in der National Ignition Facility (NIF) am Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien eine Kernfusion mit Netto-Energiegewinn erzeugt haben – und damit bewiesen haben, dass die Technik tatsächlich funktioniert. Der Gewinn habe bei rund 50 Prozent gelegen. Dieses auf vorläufigen Daten basierende Resultat wäre ein Meilenstein auf dem Weg zur Erschließung einer neuen Energiequelle, die möglicherweise eines Tages klimaneutral und sicher Strom in riesigen Mengen erzeugen könnte.
Im Vorfeld hatte die US-Energieministerin Jennifer Granholm einen „grossen wissenschaftlichen Durchbruch“ angekündigt. Zunächst hatten US-amerikanische Medien wie CNN und die Zeitungen „Financial Times“ und „Washington Post“ darüber berichtet, mittlerweile gab es auch eine offizielle Pressekonferenz zum Versuch.
Demnach wurden bei dem Experiment 2,05 Megajoule (MJ) Energie in das Target eingebracht und 3,15 MJ an Fusionsenergie erzeugt – das sind über als 50 Prozent mehr Energie als eingebracht wurde. Es ist das erste Mal, dass ein Experiment zu einem bedeutenden Energiegewinn führt.
Granholm bezeichnete das Ergebnis in einer Erklärung als „bahnbrechenden Erfolg“. Die Forschenden würden mit ihren Arbeiten den USA dabei helfen, die „die komplexesten und dringendsten Probleme der Menschheit zu lösen – wie die Bereitstellung sauberer Energie zur Bekämpfung des Klimawandels“. Die Direktorin von Livermore, Dr. Kim Budil, bezeichnete die Versuche der Wissenschaftler, die Kernfusion im Labor zu zünden, als „eine der bedeutendsten wissenschaftlichen Herausforderungen, die die Menschheit je in Angriff genommen hat“ und lobte die Arbeit der Wissenschaftler ihres Labors.
Fortschritte bei Kernfusion mehren sich
Schon vor knapp einem Jahr waren Fortschritte bei der Kernfusion an dem Institut verkündet worden. Anfang des Jahres berichtete ein Forschungsteam in der Fachzeitschrift „Nature“, dass man es geschafft habe, das Plasma im Reaktor zu entzünden. Dies ist die Vorbedingung dafür, dass die Fusionsreaktion sich selbst erhält. Plasma ist ein Aggregatzustand, den extrem erhitztes und unter hohem Druck stehendes Gas einnimmt. Es beschreibt ein Teilchengemisch aus Ionen, freien Elektronen und meist auch neutralen Atomen oder Molekülen.
Sowohl die heute weltweit genutzte Kernspaltung („Kernkraft“) als auch die Kernfusion gewinnen Energie aus den Bindungskräften von Atomkernen. Die Kernkraft basiert auf der Spaltung grosser Atome. Dabei entstehen unter anderem tödliche harte Strahlung und radioaktive Nebenprodukte mit extrem langen Halbwertszeiten von tausenden bis hin zu etlichen Millionen Jahren – GAU-Ereignisse wie in Tschernobyl oder Fukushima haben die Gefährlichkeit dieser Art der Energieerzeugung drastisch vor Augen geführt. Von der ungeklärten Endlagerung abgebrannter, strahlender Brennstäbe ganz abgesehen.
Kernfusion gilt als sauber und sicher
Bei der Kernfusion hingegen werden kleine Atomkerne zu grösseren verschmolzen, also fusioniert. Diese Technologie gilt als sauber und sicher. Diese Energiegewinnung ähnelt den Vorgängen in Sternen wie der Sonne. Mit einem entscheidenden Unterschied: Druck. Die schiere Masse der Sonne – sie allein vereint 99,86 Prozent der Masse des gesamten Sonnensystems – erzeugt einen ungeheuren Gravitationsdruck, der zum Beispiel Wasserstoffkerne zusammenpresst und zu Helium fusionieren lässt.
Dieser Druck – im Zentrum beträgt er etwa 200 Milliarden bar – lässt sich auf der Erde nicht erzeugen. Daher versucht man, die nötige Energie durch Temperatur zuzuführen – mindestens 150 Millionen Grad Kelvin sind nötig, damit die Fusion zündet. Zum Vergleich: Im Sonneninneren ist es „nur“ gut ein Zehntel so heiss. Diese physikalischen Extreme sind der Grund dafür, dass die technische Nutzung der Kernfusion bislang noch nicht geglückt ist. Bislang musste mehr Energie zum Aufheizen des Plasmas zugeführt werden, als als Energie gewonnen werden konnte.
Weltweit stärkste Laseranlage
Die Forschenden in Kalifornien nutzten für ihre Experimente die weltstärkste Laseranlage, um winzige Mengen von schwerem und überschwerem Wasserstoff (Deuterium und Tritium) in ein Millionen Grad heisses Plasma zu wandeln. Dabei erhitzen viele Laserstrahlen das Innere eines wenige Millimeter grossen Behälters.
In den letzten Jahren und Monaten gab es immer wieder Berichte, die aufhorchen liessen. So hatte etwa ein südkoreanischer Fusionsreaktor Plasma mit 100 Millionen °C für 30 Sekunden aufrecht erhalten. Und im Februar diesen Jahres stellte die weltgrößte Kernfusionsanlage JET im britischen Culham einen Energie-Weltrekord auf: Sie lieferte stabile Plasmen mit einer Energieausbeute von 59 Megajoule allerdings nur für fünf Sekunden. (me)
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