Elektromobilität Elektrische Strassen ebnen den Weg für kleinere Akkus

Von Dipl.-Ing. (FH) Thomas Kuther Lesedauer: 5 min

Wenn ein E-Fahrzeug während der Fahrt geladen wird, kann die Akkugrösse um bis zu 70 Prozent reduziert und die Belastung des Stromnetzes über den Tag verteilt werden. Das Aufladen während der Fahrt kommt den meisten Menschen entgegen, aber nicht allen. Das zeigt eine neue Studie der Chalmers University of Technology in Schweden, in der Forscher erstmals das so genannte elektrische Strassensystem mit dem realen Fahrverhalten schwedischer Autofahrer kombinieren.

Wenn Fahrzeuge während der Fahrt dynamisch aufgeladen werden können, kann die Grösse des Akkus reduziert werden und trotzdem allen Anforderungen des Verkehrs gerecht werden. In Schweden wird die erste elektrische Strasse ein 21 km langer Abschnitt zwischen Örebro und Hallsberg sein.
Wenn Fahrzeuge während der Fahrt dynamisch aufgeladen werden können, kann die Grösse des Akkus reduziert werden und trotzdem allen Anforderungen des Verkehrs gerecht werden. In Schweden wird die erste elektrische Strasse ein 21 km langer Abschnitt zwischen Örebro und Hallsberg sein.
(Bild: Schwedische Transportverwaltung, WSP)

Mehrere Länder, darunter Schweden, Dänemark und Deutschland, testen derzeit, ob elektrische Strassensysteme (electric road systems, ERS) zur Elektrifizierung von Strassennetzen eingesetzt werden können. Ein ERS lädt fahrende Fahrzeuge entweder mit Schleifen in oder neben der Strasse oder mit über den Fahrzeugen hängenden Drähten auf, ähnlich wie bei Strassenbahnen und Zügen. Bei allen Varianten müssen die Fahrzeuge zum Aufladen nicht geparkt werden, und es werden weniger grosse Akkus benötigt, die Energie speichern, um die «Reichweitenangst» zu überwinden – ein Begriff, der sich auf die Angst oder die Besorgnis der Fahrer von Elektrofahrzeugen hinsichtlich der Entfernung bezieht, die ihr Elektrofahrzeug zurücklegen kann, bevor der Akku aufgeladen werden muss.

Jetzt haben Forscher von Chalmers die Daten von über 400 Personenkraftwagen verwendet, um reale Fahrmuster auf verschiedenen Teilen schwedischer und europäischer Strassen zu untersuchen. Anhand der Daten berechneten sie u. a. die erforderliche Akkugrösse für alle Fahrten unter Berücksichtigung möglicher Ladeoptionen (stationär oder ERS), der Lademuster und der Gesamtkosten einschliesslich Infrastruktur und Akkus.

Kleinere Akkus führen zu geringeren Kosten

Die Ergebnisse zeigen, dass eine Kombination aus elektrischen Strassen auf 25 Prozent der am stärksten befahrenen nationalen und europäischen Strassen und dem Laden zu Hause optimal wäre. Die Akkus, die einen grossen Teil der Kosten für ein Elektroauto ausmachen, können deutlich kleiner werden, bestenfalls nur noch ein Drittel der heutigen Grösse.

«Wir sehen, dass es möglich ist, die erforderliche Reichweite der Akkus um mehr als zwei Drittel zu reduzieren, wenn man das Laden auf diese Weise kombiniert. Dadurch würde der Bedarf an Rohstoffen für Akkus sinken, und ein Elektroauto könnte auch für den Verbraucher billiger werden», erklärt Sten Karlsson, der zusammen mit seinen Forscherkollegen Wasim Shoman und Sonia Yeh hinter der Studie «Benefits of an Electric Road System for Battery Electric Vehicles» steht.

Ein weiterer positiver Effekt ist, dass die Spitzen im Stromverbrauch reduziert würden, wenn die Autofahrer sich nicht ausschliesslich auf das Aufladen zu Hause verlassen, sondern es auch durch das Aufladen auf der Strasse ergänzen würden.

«Denn viele Menschen laden ihr Auto nach Feierabend und in der Nacht auf, was das Stromnetz stark belastet. Würde man stattdessen gleichmässiger über den Tag verteilt laden, könnte man die Spitzenlast deutlich reduzieren.

Begrenzter Nutzen in dünn besiedelten Gebieten

Verschiedene Gruppen von Autofahrern haben jedoch auch unterschiedliche Voraussetzungen, um von der Kombination aus stationärem Laden und ERS zu profitieren.

«Es gibt grosse Unterschiede zwischen den Gruppen, je nach Fahrverhalten und Nähe zu elektrischen Strassen. Selbst im Optimalfall würden einige mit dem Laden an der Strasse auskommen, während andere die Möglichkeit überhaupt nicht nutzen könnten. Wir sehen zum Beispiel, dass diejenigen, die auf dem Land wohnen, eine fast 20 Prozent grössere Reichweite ihrer Akkus benötigen als diejenigen, die im Stadtzentrum wohnen», sagt Wasim Shoman.

Kleine Akkus führen nicht automatisch zu einer Aufladung durch ERS

«Nur weil man aufladen kann, heisst das nicht, dass der Verbraucher das auch wirklich bei jeder Gelegenheit tun will. Das Geschäftsmodell ist daher äusserst wichtig, da Nutzen und Kosten ungleich verteilt sein können. Und es gibt noch keine Entscheidungen darüber, wie das Geschäftsmodell aussehen soll», so Sten Karlsson.

Die Studie in Kürze

• Der Beitrag «Benefits of an Electric Road System for Battery Electric Vehicles» wurde im World Electric Vehicle Journal veröffentlicht und von den Chalmers-Forschern Wasim Shoman, Sten Karlsson und Sonia Yeh verfasst.
• Während das elektrische Strassensystem (ERS) hauptsächlich für Lastwagen in Betracht gezogen wird, damit diese mit kleineren Batterien längere Strecken zurücklegen können und nicht auf das Aufladen warten müssen, können auch Privatfahrzeuge davon profitieren. Dies ist die erste Studie, in der die Batterieladung simuliert wird, indem die Bewegungsmuster von 412 privat betriebenen Autos auf Teilen der schwedischen und europäischen Strassen im Detail untersucht werden.
• Ziel war es zu untersuchen, welche potenziellen Vorteile ein so genanntes elektrisches Strassensystem (ERS) bieten könnte, bei dem die Autos während der Fahrt aufgeladen werden. Anhand der Daten berechneten sie unter anderem den Batteriebedarf, die Ladevorgänge und die Gesamtkosten. Die Forscher verglichen drei Ladeszenarien, eines mit stationärem Laden und ERS, eines mit ausschliesslich stationärem Laden und eines mit ausschliesslich ERS-Ladeinfrastruktur. Lkw und Busse wurden in der Analyse nicht berücksichtigt, so dass etwaige Vorteile für diese Fahrzeuge hinzugerechnet werden.
• Eine Kombination aus ERS und Heimladung ist optimal und reduziert den Batteriebedarf im besten Fall um 62 bis 71 Prozent. Die Nettoeinsparungen für den Autobesitzer durch kleinere Batterien übersteigen die Kosten für ERS.
• Die durchschnittliche Batteriereichweite, die von Bewohnern dünn besiedelter Gebiete benötigt wird, ist 15 bis 18 Prozent höher als die von Stadtbewohnern.
• Das stationäre Laden zu beenden ist für viele, aber nicht für alle Fahrzeuge möglich.
• Durch den Einsatz von ERS können auch die Ladespitzen reduziert werden, indem das Laden über den Tag verteilt wird.
• Die Forschung wurde von Mistra und der Energy Area of Advance an der Chalmers University of Technology finanziert.
• Weitere Informationen zu den Umweltauswirkungen von ERS: «If Electric Cars Are Good for Reducing Emissions, They Could Be Even Better with Electric Roads», Environmental Science & Technology.

Fakten über elektrische Strassen in Schweden

In Schweden gibt es einige kurze Testabschnitte mit verschiedenen elektrischen Strassentechnologien, u. a. in Lund und auf Gotland, aber das erste Pilotprojekt mit einer permanenten elektrischen Strasse ist jetzt im Gange. Die schwedische Verkehrsbehörde baut eine 21 Kilometer lange Strecke zwischen Örebro und Hallsberg entlang der E20. Die elektrische Strasse soll im Jahr 2026 fertiggestellt werden.

Dieser Artikel ist zuerst auf unserem Partnerportal Elektronikpraxis erschienen.

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