Hat die SPS nach 50 Jahren ausgedient?

Von Andreas Leu |

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Es gibt sie immer noch, und sie wird nach wie vor in vielen Automatisierungsprojekten eingesetzt: die Anfang der 70er-Jahre erfundene speicherprogrammierbare Steuerung, kurz SPS. «Aktuelle Technik» fragte bei Fachspezialisten nach den Gründen.

Eine SPS ist robuster und über einen längeren Zeitraum ohne Modifikation verfügbar — das schafft Planungssicherheit, insbesondere für Serienmaschinenbauer.
Eine SPS ist robuster und über einen längeren Zeitraum ohne Modifikation verfügbar — das schafft Planungssicherheit, insbesondere für Serienmaschinenbauer.
(Bild: Siemens)

Die Digitalisierung erfordert Spezifikationen, für die eine klassische SPS grundsätzlich nicht geschaffen ist. Gerade wenn man an die hohen Datenmengen denkt, die für Disziplinen wie ­Condition-Monitoring, Data-Analytics, Predicitve Maintenance und die Kommunikation unter den Maschinen anfallen, kommt einem zuerst den Einsatz eines Industrie-PC (IPC) in den Sinn. SPS versus IPC: Welche Gründe sprechen für den jeweiligen Einsatz? Die Gründe, warum eine SPS nach wie vor ihre Berechtigung hat, erläutern fünf Spezialisten führender Anbieter von Automatisierungstechnologien in dieser Umfrage.

1. Hohe Performance, nahezu unbegrenzter Speicher, schnelle Prozessverarbeitung: Diese Eigenschaften bietet ein IPC. Warum wird die klassische SPS trotzdem noch häufig eingesetzt? Welches sind die Gründe?

Beat Meili, Geschäftsführer Sigmatek Schweiz
Beat Meili, Geschäftsführer Sigmatek Schweiz
(Bild: Sigmatek)

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Beat Meili: Grundsätzlich kann Sigmatek diese Aussage nicht unterstützen. Unsere Sichtweise ist so, dass sich die Automatisierungswelt im Bereich Steuerungstechnik in den vergangenen Jahren im Zuge von Industrie 4.0 massiv verändert hat. Sigmatek spricht schon lange nicht mehr von einem Steuerungs-IPC oder einer Steuerungs-SPS. Der Grund dafür ist, dass diese zwei Welten mittlerweile miteinander verschmolzen sind, und je nach Anforderung für die zu lösende Applikation nutzt der Anwender die dafür optimal passende Hardwareplattform.

Anstelle von speziell für eine SPS entwickelten Prozessoren sind heute langzeitverfügbare Standardprozessoren von namhaften, weltweit tätigen Herstellern im Einsatz. Kritische, verschleissbehaftete Baugruppen wie HDD und Lüfter werden in modernen Steuerungen nicht mehr verbaut.

Martin Sidler, Product Manager Advanced Controller, Siemens Schweiz, Digital Industries
Martin Sidler, Product Manager Advanced Controller, Siemens Schweiz, Digital Industries
(Bild: Siemens)

Martin Sidler: Typischerweise ist eine SPS robuster und über einen längeren Zeitraum ohne Modifikation verfügbar — das schafft Planungssicherheit, insbesondere für Serienmaschinenbauer. Neben dieser Langzeitverfügbarkeit gilt für die Simatic ausserdem die 10-Jahres-Regel für Ersatzteile nach Abkündigung. Das ist mit IPC und ihren kürzeren Entwicklungszyklen nicht möglich.

Wichtige Kriterien sind zudem gleichbleibende Qualität, einfache Instandhaltung und planbarer Service inklusive Baugruppenwechsel. Soll z. B. eine CPU getauscht werden, wird das Steuerungsprogramm auf der Speicherkarte einfach in die neue CPU übernommen, und nach dem Einschalten läuft das System wieder wie vorher. Datenremanenz und geringeres Risiko bezüglich Security und Manipulation sprechen ebenfalls für eine SPS.

Thomas Trüb, Division Manager Industrial Automation, Omni Ray
Thomas Trüb, Division Manager Industrial Automation, Omni Ray
(Bild: Omni Ray)

Thomas Trüb: Die klassische SPS ist aus industriellen Applikationen nicht wegzudenken. Gerade für kleinere Maschinen oder Anlagen ist der Einsatz einer SPS und gegebenenfalls einer HMI oft kostengünstiger als ein IPC. Ausserdem zeichnet sich die klassische SPS durch sehr lange Lebenszyklen aus.

Ein Lebenszyklus von mehr als 20 Jahren ist z. B. bei Mitsubishi Electric der Standard. Klassische SPS sind sehr robust und äusserst stabil in Bezug auf Betriebssicherheit. Jahrelanger 24/7-Betrieb entspricht dem Normalfall. Die nahtlose Integration von Hardware, Software und I/OIs vereinfachen die Handhabung. Mit dem herstellerspezifischen Betriebssystem kommt der Anwender nicht direkt in Kontakt, somit muss man sich nicht um Updates kümmern. Und es besteht deutlich weniger Gefahr bezüglich Cyber-Kriminalität als bei Windows-basierten Systemen.

Paolo Salvagno, Managing Director, B & R Industrie-Automation.
Paolo Salvagno, Managing Director, B & R Industrie-Automation.
(Bild: B&R)

Paolo Salvagno: B & R unterscheidet heute nicht mehr, ob es sich um eine klassische SPS oder einen IPC (bei B & R Automation PC genannt) handelt. Deshalb stellt sich diese Frage eigentlich nicht mehr, sondern das Einsatzgebiet bestimmt das zu verwendende Produkt: SPS oder IPC. Der wesentliche Unterschied besteht in der Grösse des Speichers, zum Teil der Schnittstellen, aber auch des Prozessors. Die Maschinen- und Anlagenbauer erwarten heute ein skalierbares System und Langzeitverfügbarkeit. B & R bietet beides aus einer Hand.

Olivier Gugelmann, Produkt Spezialist IPC, Beckhoff Automation.
Olivier Gugelmann, Produkt Spezialist IPC, Beckhoff Automation.
(Bild: Beckhoff)

Olivier Gugelmann: Es gibt zweifellos mehrere Faktoren, die bei der Wahl des PLC-Typs durch den Kunden eine Rolle spielen, insbesondere IT-Sicherheit und Plattformwechsel. So ist die klassische SPS vordergründig weniger anfällig für Computerattacken, was manchmal bei der Wahl des Endkunden eine Rolle spielen kann. Allerdings verfügen wir heute über eine IT-Infrastruktur, mit der sich alle Maschinen leistungsfähig und flexibel verbinden lassen und die gleichzeitig ein oft sogar höheres Sicherheitsniveau als bei Mikrocontroller-basierten Systemen gewährleistet. Ein notwendiger Plattformwechsel bei den automatisierten Systemen führt häufig zu Konflikten und intensiven Diskussionen zwischen informatikorientierten Automatisierern und traditionellen SPS-Programmierern. Mit der Automatisierungssoftware TwinCAT von Beckhoff besteht dieses Problem allerdings nicht, da sich damit sowohl die Standardsprachen der IEC 61131-3 nutzen als auch UML-States und -Diagramme, die objektorientierte Programmierung und auch C/C++-Code in einen Echtzeit-Task integrieren lassen.

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2. Wie beraten Sie Ihre Kunden beim Einsatz der entsprechenden Technologie? Bei welcher Art von Projekten ergibt die jeweilige Technologie Sinn?

Beat Meili: Sigmatek ist auf den Serienmaschinenbau fokussiert, und hier muss immer die Kostenseite im Auge behalten werden. Deshalb ergibt es keinen Sinn, für eine modulare Maschine einen IPC zu verwenden, der für das Basismodul dieser Maschine viel zu teuer ist, weil man damit bereits von Anfang an mögliche zukünftige Erweiterungen der Maschine abdecken will.

An dieser Stelle sollte eine dezentrale, einfach skalierbare Steuerungslösung gewählt werden, die in jedem Fall zu Kosteneinsparungen auf der Hardwareseite führt. Damit diese dezentralen Intelligenzen nicht zu höheren Engineeringkosten führen, ist es wichtig, dass das dazugehörige ­Engineering-Tool unterstützende Dienste bietet.

Dank dem Machine-Manager-Tool von Sigmatek merkt der Softwareentwickler bei Multi-CPU-Projekten nichts von der physischen Dezentralität der einzelnen Steuerungseinheiten oder Bedienpanels. Er programmiert genau gleich, wie wenn eine einzelne grosse Steuerung vorhanden wäre. Der Einsatz der dezentralen Edge-Technologie bietet Einsparungspotenzial, da bei jedem Maschinenmodul exakt die Performance zur Verfügung gestellt werden kann, welche die Maschine an dieser Stelle benötigt. Selbstverständlich bietet Sigmatek für den Fall, dass sehr grosse Datenmengen, wie das z. B. beim Stickprozess der Fall ist, verarbeitet werden müssen, auch zentrale, IPC-basierende Steuerungslösungen, die selbst grösste Datenmengen von einigen Gigabytes verarbeiten und daneben noch bis zu 30 Servoachsen interpoliert steuern können.

Martin Sidler: In unserem Portfolio bieten wir neben der Hardware-SPS auch die Software-SPS auf Basis unserer IPC an. Simatic-Kunden haben damit die Möglichkeit, das für die jeweilige Aufgabe passende Steuerungssystem einzusetzen. Bei der Beratung geht es darum, gemeinsam mit dem Kunden festzulegen, auf welche Kriterien er besonders Wert legt und welche systemspezifischen Funktionen er priorisiert. Prädestiniert ist eine Software-SPS-Lösung für Aufgaben mit intensivem Austausch von Daten mit einer PC-Applikation. Sind z. B. kontinuierliche Datenerfassung zur Qualitätssicherung, Rückverfolgbarkeit oder eine modellbasierte Regelungstechnik gefordert, empfehlen wir eine Software-SPS.

Häufig spielen im Anlagen- oder Maschinenbau aber auch andere Kriterien eine Rolle: Bei Forderung nach hoher Verfügbarkeit, Skalierbarkeit, Erweiterungsmöglichkeit und einfacher Wartbarkeit auch nach Jahren empfehlen wir eine SPS im klassisch modularen Aufbau. Ob zentral oder dezentral spielt dabei selbstverständlich keine Rolle.

Thomas Trüb: Die wichtigsten Kriterien sind aus unserer Sicht die Anlagenkomplexität und die Erfahrung des Programmierers. Wir stellen vermehrt fest, dass Programmierer heute eher aus dem IT-Umfeld kommen und z. B. Erfahrung in IT-Softwareprogrammierung haben. Die Hersteller komplexer Anlagen und Maschinen benötigen zunehmend auch Daten für die Prozessanalyse (Industrie 4.0). Dazu werden grosse Datenbanken und Analysesoftwares benötigt, die in IPC einfacher integrierbar sind. Das Einbinden von Peripheriegeräten wie Druckern, Scannern usw. gestaltet sich mit IPC wesentlich einfacher. Klassische industrielle Maschinen und Stand-alone-Applikationen sind weiterhin prädestiniert für den Einsatz einer SPS.

Paolo Salvagno: B & R bietet ein lückenloses Produktportfolio von der kleinsten Embedded-SPS bis zu hoch performanten IPC.

Maschinen und Anlagen präzise, schnell und trotzdem kosteneffizient steuern und regeln — dass das kein Widerspruch ist, liegt vor allem an der Skalierbarkeit der Steuerungssysteme von B & R. Damit bewältigt B & R von Kleinststeuerungen bis zu CNC- und Robotersteuerungen oder Leitsystemanwendungen alle Anforderungen mit einer Plattform.

Das Besondere dabei ist, dass diese Plattform, unabhängig von der jeweiligen Hardware, mit dem Automation Studio gleichzeitig programmiert und konfiguriert wird. Diese Kompatibilität reduziert Entwicklungskosten und sichert gleichzeitig bereits getätigte Investitionen über den gesamten Lebenszyklus von Maschine und Anlage. Der Serienmaschinen- sowie Anlagenbauer kann wählen, was ihm beliebt, denn die Runtime ist die gleiche, ganz egal ob klassische SPS oder IPC. Es spielt keine Rolle.

Olivier Gugelmann: Die PC-basierte Steuerungs- und Antriebstechnik von Beckhoff lässt sich universell einsetzen. Ein Schwerpunkt bildet dabei der Maschinenbau, der heutzutage seinen Fokus klar auf Maschinen mit möglichst kleinem Footprint und maximaler Flexibilität legt.

Mehr und mehr muss der Endkunde in der Lage sein, verschiedene Produktarten auf derselben Produktionslinie herstellen zu können. Dadurch werden die Prozesse, die Anwendung, die Integration sowie die Verknüpfung von Systemen zunehmend komplexer. Aufgrund dieser grossen Nachfrage nach Modularität nehmen die Anforderungen an die Software zu, und der Code wird immer komplexer.

Speicher- und CPU-Ressourcen müssen diesen Bedarf decken können. Auch in diesem Zusammenhang profitieren Maschinenbauer und Endkunden von unserer PC-basierten Steuerungstechnik. TwinCAT ermöglicht die Verwaltung aller Maschinenfunktionen (Motion, I/O, Vision, HMI, Safety, Messtechnik, IoT usw.) über eine einzige Plattform und reduziert die Komplexität des Engineerings und damit auch die Kosten einer Maschine.

3. Angenommen, ein Kunde hat ein Projekt mit der klassischen SPS-Technologie programmiert. Kann er den Code problemlos auf die IPC-Technologie übertragen, oder muss er spezielle Vorkehrungen treffen, wie z. B. Parametrierungen, oder sogar das Programm umschreiben?

Beat Meili: Wie bereits erwähnt, ist es so, dass Sigmatek schon lange nicht mehr von SPS spricht, sondern von skalierbaren Steuerungs-CPU, die sich aufgrund der Prozessorleistung in Kombination mit der jeweiligen Speichergrösse im Bereich Performance unterscheiden. Das betrifft also lediglich die Auswahl der Hardwareplattform. Der ursprünglich erstellte Programmcode lässt sich zumindest bei Sigmatek auf jede CPU portieren, und wir unterscheiden vom Befehlssatz her nicht, ob es eine Schmalspur- oder eine Hochleistungs-CPU ist. Das hat den grossen Vorteil, dass der Entwickler für den ersten Prototyp gleich von Anfang an eine leistungsstarke CPU verwenden und nach Abschluss des Projekts, basierend auf den tatsächlich von der Applikation benötigten Ressourcen, eine kostenoptimierte, kleinere Steuerungs-CPU für die Serienmaschinen auswählen kann.

Martin Sidler: Im Fall von Simatic S7-1500 kann der Kunde sein Step-7-Programm, basierend auf dem TIA-Portal Engineering Framework, ohne weitere Anpassungen sowohl in der Hardware-SPS als auch auf IPC verwenden. Programmiertechnisch und funktional gibt es keinerlei Einschränkungen beim Einsatz von Funktionsbausteinen oder Bausteinbibliotheken, lediglich in der Hardwarekonfiguration ist der Unterschied zu berücksichtigen. Das gilt sogar für fehlersichere Programme. Auf eine Besonderheit möchte ich hier noch verweisen: Egal, ob z. B. Windows wegen eines Treiber-Updates oder Sicherheitspatches neu gestartet werden muss, also durchbootet, unsere Simatic-Software-SPS S7-1500S läuft dank des Siemens-Bare-Metal-Hypervisors davon völlig unbeeindruckt weiter.

Thomas Trüb: Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Es hängt sehr von den eingesetzten Produkten und der verwendeten Programmiersprache ab. Obwohl seit vielen Jahren die IEC-Norm 61131 gilt, bestehen in der Umsetzung der Details zwischen den Herstellern viele kleine Unterschiede. Die IPC werden häufig mit dezentralen I/O verwendet, bei den SPS sind hingegen diese klassischerweise integriert. Das bedeutet beim Technologiewechsel folglich Anpassungen in der Parametrierung und im Programm.

Paolo Salvagno: Die Applikation kann unabhängig von der Hardware und vom Formfaktor erstellt und dann auf die jeweilige Plattform geladen und betrieben werden. Das ist nur möglich, weil wir immer das gleiche Runtime-System verwenden. Das geschieht mit unserem Entwicklungstool Automation Studio. Hierbei unterscheiden wir uns von vielen Herstellern, und das, ohne spezielle Vorkehrungen zu treffen. Das System erkennt automatisch die ausgewählte Plattform und installiert alle benötigten Softwarekomponenten. Das schätzen viele Kunden, da auch sie skalierbare Maschinen oder Anlagen entwickeln und bauen.

Olivier Gugelmann: Hierfür gibt es keine eindeutige Antwort, das heisst, die Frage muss von Fall zu Fall beantwortet werden. Für den Schritt zur PC-basierten Automatisierung gibt es drei grundlegende Fälle:

1. SPS auf IEC-61131-3-Basis programmiert: Da viele der heutigen SPS mit diesem Standard kompatibel sind, kann der Code in der Regel exportiert werden. Mit oft mehr Erfolg bei Text (ST, IL) und nicht grafischen Sprachen (FBD, LD, SFC, CFC). Die Hardwarekonfiguration bei der klassischen SPS ist häufig proprietär und begrenzt modular, sodass der Umstieg auf ein PC-basiertes System meist eine Neukonfiguration von Tasks, Hardware und Variablen-Mappings erfordert. Das gilt ähnlich auch für die beiden folgenden Fälle.

2. SPS in C/C++ programmiert: In der Welt der IPC wird in der Regel die Sprache C/C++ verwendet, sie kann integriert werden. Das muss jedoch durch den IPC-Lieferanten spezifiziert sein, und es ist zu prüfen, insbesondere bei Motion, ob der Code in einer Echtzeitaufgabe ausgeführt wird oder nicht.

3. SPS in Assembler oder einer anderen Sprache programmiert: Hier wird es komplizierter, und es ist zu prüfen, ob der Lieferant den vorhandenen Quellcode in eine für das neue PC-System verständliche Sprache konvertieren kann.

4. Die klassische SPS «feiert» dieses Jahr ihr 50-Jahr-Jubiläum. Wird sie aus Ihrer Sicht auch noch das 60-jährige Bestehen feiern?

Beat Meili: Die klassische SPS ist zumindest in Westeuropa im Bereich Maschinenbau bereits kaum mehr im Einsatz, und es ist sehr fraglich, ob sie das 60-Jahr-Jubiläum noch schafft. Frei skalierbare und dezentrale Steuerungskonzepte, auch bekannt als CPS-Systeme (Cyber-Physical Systems), mit normierten Kommunikationsschnittstellen nach aussen haben sie ersetzt. Es gibt zwischenzeitlich sogar aufgrund der Offenheit bei der Programmierung und aus Kostengründen einen Trend zu semi­industriellen Steuerungsplattformen, die als CPU z. B. einen Raspberry Pi verwenden.

Aus Sicht von Sigmatek sind solche Lösungsansätze allerdings wegen der eingeschränkten Langzeitverfügbarkeit, der geforderten Industrienormen im Bereich EMV und der Temperaturbeständigkeit für den modernen Maschinenbau nicht geeignet. Dank der bereits bei unseren Kleinsteuerungen verfügbaren offenen, normierten und industriell erprobten Kommunikationsschnittstellen wie OPC UA und MQTT in Kombination mit Cloud-Diensten ist ­Sigmatek bestens für die Zukunft gerüstet.

Martin Sidler: Ganz bestimmt, denn die Anfänge der programmierbaren Steuerung Simatic gehen sogar auf das Jahr 1958 zurück. Von der reinen Logikprogrammierung über komplexeste Algorithmen und Datentypen erfolgten viele Anpassungen an die Kunden- und Markterfordernisse.

«In den nächsten Jahren werden dank Digitalisierung weitere Technologiefelder erschlossen.»

Beat Meili: In den nächsten Jahren werden dank Digitalisierung weitere Technologiefelder erschlossen. Unsere Simatic-Steuerungen erfüllen bereits heute neben Langzeitverfügbarkeit und einfachem Ersatzteilhandling die Anforderungen an Offenheit, IT-Funktionalität (OT meets IT), standardisierte Kommunikation (OPC UA), flexible Integration von Cloud- und Edge-Funktionalität, geschickte Nutzung von künstlicher Intelligenz und Machine Learning, z. B. für Qualitätssicherung, und berücksichtigen dabei wichtige Themen wie Robustheit und ­Cyber-Sicherheit.

Thomas Trüb: Wir sind überzeugt, dass die klassische SPS auch das 60-Jahr-Jubiläum feiern wird und sicherlich auch noch einige weitere. Allein schon aufgrund der aktuell installierten Hardwarebasis ist ein rascher Wechsel eher unwahrscheinlich. Durch die Rückwärtskomptabilität, wie es z. B. bei Mitsubishi Electric gegeben ist, reduziert sich der Aufwand für einen allfälligen Geräteersatz massiv.

Mittelfristig wird die IPC-Technologie weiter aufholen, aber in den nächsten Jahrzehnten wird es weiterhin eine Koexistenz geben.

Paolo Salvagno: Ja, weil heute eine klassische SPS, wie bereits erwähnt, nicht mehr gleich ist wie früher. Heute handelt es sich um ausgewachsene Embedded-Systeme, nur der Formfaktor ist anders. Für B & R stellt sich diese Frage nicht, da wir mit unserem Runtime-System und unseren Hardwareplattformen alle Anforderungen abdecken. Selbst Anforderungen im Hinblick auf OPC UA, OPC UA TSN, Cloud-Anbindungen, Edge-Architektur usw. können wir heute bestens erfüllen sowie liefern.

Olivier Gugelmann: Angesichts des zunehmenden Einsatzes grosser Datenverarbeitungssysteme (Vision, Machine Learning, HMI, Analytics und Industrie-4.0-Konzepte) haben Mikrocontrollerbasierte Steuerungen wegen ihrer geringeren Leistungsfähigkeit keinen Platz mehr. Mit einer kontinuierlichen Weiterentwicklung seit den 80er-Jahren und mit Leistungssteigerungen von 20 bis 50 Prozent pro Jahr ist der Mikroprozessor, also die PC-basierte Steuerungstechnik, hingegen die optimale Technologie, um die hohen Anforderungen von automatisierten, immer komplexer und modularer aufgebauten Systemen zu erfüllen. Das Zukunftspotenzial liegt deshalb zweifelsohne bei der PC-basierten SPS, wie es Hans Beckhoff mit der Einführung der ersten PC-basierten Maschinensteuerung im Jahre 1986 schon vor 34 Jahren voraussagte.

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