Faktor 100 000 genauer Optische Atomuhr misst nahes Infrarot und sichtbares Licht

Von Dipl.-Ing. (FH) Hendrik Härter Lesedauer: 3 min

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Mit einer neuen Generation optischer Uhren lässt sich der Zeitnormal bis zu 100 000-fach genauer erfassen, da durch Messungen im nahen Infrarot- und sichtbaren Lichtbereich höhere Frequenzen erfasst werden können. Mit miniaturisierten und robusten Lasersystemen für ultrakalte Atome entwickeln Fraunhofer-Forscher nun die Schlüsselkomponente, die optische Uhren industrietauglich werden lässt.

Präzise Zeitmessung: Atomuhren synchronisieren digitale und analoge Uhren. Bisher erhalten Atomuhren den Takt aus der Messung der atomaren Resonanz in Cäsiumatomen bei Mikrowellenstrahlung.
Präzise Zeitmessung: Atomuhren synchronisieren digitale und analoge Uhren. Bisher erhalten Atomuhren den Takt aus der Messung der atomaren Resonanz in Cäsiumatomen bei Mikrowellenstrahlung.
(Bild: annca / Pixabay)

Will man die genaue Zeit wissen, kann man auf Atomuhren zurückgreifen. Sie gelten als die genauesten Zeitmesser und synchronisieren digitale und analoge Uhren. Den dafür notwendigen Takt erhalten Atomuhren aus der Messung der atomaren Resonanz in Cäsiumatomen bei Mikrowellenstrahlung. Die Elektronen in Cäsiumatomen schwingen etwa neun Milliarden Mal pro Sekunde. Das entspricht dem heutigen Standard: der koordinierten Weltzeit UTC.

Doch es geht noch genauer: Eine neue Generation optischer Atomuhren. Sie messen die elektronischen Schwingungen im sichtbaren optischen Bereich statt im Mikrowellenbereich und erreichen eine 100 000-fach höhere Genauigkeit. Die hochpräzisen Chronoskope können Sekundenbruchteile bis zur 19. Dezimalstelle messen. Zum Vergleich: Das entspricht einer Zehntelsekunde im Vergleich zum Gesamtalter des Universums.

Atome einfangen und auf absoluten Nullpunkt kühlen

Optische Messgeräte benötigen derzeit noch viel Platz und müssen daher miniaturisiert werden, was das vom BMBF geförderte Projekt ISABELLA zum Ziel hat. Das Konsortium konzentriert sich bei der Miniaturisierung auf die Laser, die das Herz optischer Uhren bilden und die Messung von Schwingungen in Atomen ermöglichen.

Das Verfahren ist allerdings komplex: Um die Schwingungen überhaupt zählen zu können, müssen die sich schnell und ungeordnet bewegenden Atome zunächst eingefangen und auf Temperaturen um den absoluten Nullpunkt abgekühlt werden. Erst dann verlangsamt sich ihre Bewegungsgeschwindigkeit. Dazu sind hochpräzise Laser notwendig, was in bisherigen Aufbauten zu einer enormen Grösse des Gesamtsystems führte. Die Forscher entwickeln dazu eine Technologie, um die einzelnen Laser deutlich zu verkleinern.

Vom Laboraufbau zum kleinformatigen Quantengerät

Makroskopischer Tischaufbau komplexer Lasersysteme in einer optischen Atomuhr.
Makroskopischer Tischaufbau komplexer Lasersysteme in einer optischen Atomuhr.
(Bild: Ulrich Rosowski, Heinrich Heine University of Düsseldorf)

Die einzelnen Komponenten des Lasers funktionieren nur im Zusammenspiel. Deshalb müssen die Projektpartner eng zusammenarbeiten: So entwickelt das Team der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gemeinsam mit der Firma VACOM Vakuum Komponenten & Messtechnik den Resonator und baut ihn in einer miniaturisierten Vakuumkammer auf. Die Firma Sensor Photonics stellt die für die Laser benötigten Halbleiterchips her, Sacher Lasertechnik baut die Lasersysteme aus Einzelkomponenten zusammen und koordiniert das Forschungsprojekt.

Das Team um den Atomphysiker Dr. rer. nat. Wojciech Lewoczko-Adamczyk vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM ist für die Fertigstellung der photonischen Chips inklusive der darin enthaltenen Wellenleiter verantwortlich. «Die Optik steht vor einem grossen Durchbruch: Noch sind die Aufbauten gross und empfindlich. Doch wenn die einzelnen Komponenten miniaturisiert und zuverlässig werden, lassen sich Quantentechnologien mit ultrakalten Atome in Form von transportablen und praxistauglichen Systemen realisieren. Unsere Aufgabe ist es, Chips mit photonischen Leitern zu entwickeln. Dazu passen wir die optischen Leitungen an die relevanten Wellenlängen der Atomuhren an und integrieren selektive Filter, die die Laser dazu bringen, bei einer bestimmten, sehr schmalen Wellenlänge zu leuchten», erklärt Lewoczko-Adamczyk.

Anwendungen in Forschung und Gesellschaft

Eine optische Uhr dient nicht nur der Präzisierung des Zeitstandards, sondern auch der Beantwortung fundamentaler physikalischer Fragen. Durch die verbesserte Genauigkeit können die Werte von Naturkonstanten überprüft werden.

Ein zweiter Anwendungsfall liegt in der angewandten Forschung, denn moderne optische Uhren können auch als Sensoren eingesetzt werden, um Veränderungen im Gravitationsfeld zu messen. Auf diese Weise tragen sie zur Erstellung einer hochpräzisen Gravitationskarte der Erde bei. Eine solche Karte erlaubt es Geologen, die Bewegung tektonischer Platten genau vorherzusagen, Öl- oder Mineralvorkommen zu lokalisieren oder die Bewegung von Magma in Vulkanen frühzeitig zu erkennen. Als hochpräzise Sensoren sind die Uhren auch für die Klimaforschung relevant, da sie beispielsweise Veränderungen und Bewegungen des Meeresspiegels aufzeichnen.

Eine dritte Anwendungsmöglichkeit für hochpräzise Uhren ergibt sich beim Einsatz von satellitengestützten Navigationssystemen wie GPS. Bereits heute sind Satelliten mit miniaturisierten, mikrowellenbasierten Atomuhren ausgestattet, von denen die Positionsbestimmung des GPS abhängt. Durch die Integration einer optischen Atomuhr liesse sich die exakte Position mindestens um den Faktor 100 genauer bestimmen, was für das autonome Fahren und dessen Sicherheit von grosser Bedeutung ist.

Dieser Artikel ist zuerst auf unserem Partnerportal Elektronikpraxis erschienen.

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