EMS-Dienstleister Placetec «Unsere Stärken sind das Komplettangebot und die Kundennähe»
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Die Zeiten ändern sich. Der Produktionsstandort Schweiz wird für einige Produzenten wieder attraktiver. Dies stellt auch der EMS-Dienstleister Placetec aus Liestal fest.

Gibt es ein Erfolgsrezept für Schweizer Elektronikfertiger, damit sie im hart umkämpften Markt bestehen? Gewiss, die Unsicherheiten, welche die Covid-19-Pandemie hervorgerufen hat, brachte Hersteller zum Umdenken. Der Markt für Elektronikfertiger ist trotzdem global und hart umkämpft geblieben. Sie müssen also auch weitere Vorzüge aufweisen als «nur» Swissness. Welche das sind, erklären Rolf Weyermann, Geschäftsführer, und Renato Papini, Stv. Geschäftsführer von
Placetec, in diesem Interview.
Das Jahr 2020 stellte für inländische EMS-Anbieter in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung dar. Sie konnten letztes Jahr mit einer neuen Produktionshalle Placetec sogar ausbauen. Welche Vorteile ergeben sich damit für Ihr Unternehmen und die Kunden?
Rolf Weyermann: Die neue Produktionshalle wird demnächst in Betrieb genommen. Wir sind danach in der Lage, ein neues Produkt, ein Kollisionswarn-Gerät für Minenfahrzeuge, in hohen Stückzahlen zu fertigen. In diesem Fall bieten wir die gesamte Produktionskette an, beginnend bei der Leiterplattenbestückung bis hin zu Gehäusemontage, die Endprüfung sowie die Verpackung und die Verschiffung direkt zum Endkunden. Ohne diesen Kapazitätsausbau wäre dies nicht möglich.
Sie integrierten im letzten Jahr eine Pemtron-Inline-3D-Pasteninspektionsmaschine für 3D-Bildaufnahmen zur Überprüfung des Pastenvolumens. Was bedeutet diese Erweiterung für den Produktionsablauf und die Qualität der Endprodukte?
Renato Papini: Für uns ist die Maschine fast nicht mehr wegzudenken. Mit der zunehmenden Miniaturisierung der Bauteile ist eine Pasteninspektionsmaschine unerlässlich, um eine gleichbleibende Qualität zu garantieren. Die hohe Integrationsdichte auf den Platinen der Elektronikbauteile verlangt praktisch nach einer SPI-Anlage (Solder Paste Inspection). Eine manuelle Prüfung ist in solchen Fällen fast unmöglich, wenn man eine gleichbleibende Qualität möchte. Es gibt Produkte, die könnten wir nicht mit dieser Güte produzieren.
Gehört der Ausbau der Produktion mit modernen Fertigungs- und Prüf-Technologien zum Erfolgsrezept von Placetec?
Renato Papini: Es war schon immer die Strategie von Placetec, dass wir Trends in der Elektronikfertigung frühzeitig erkannten und unseren Maschinenpark entsprechend aufrüsteten.
Über welche Quellen informieren Sie sich und erkennen diese Trends?
Rolf Weyermann: Einerseits sind es die Kunden, die mit ihren Anforderungen auf uns zukommen. Wir verfügen jedoch auch über langjährige Erfahrung in der Marktbeobachtung und darüber, welche Bauteile mittlerweile erhältlich sind. Anhand dieser Informationen bauen wir unseren Maschinenpark aus, um für die Zukunft gerüstet zu sein. Die Maschinenbauer wissen selbstverständlich auch, welche Trends in der Elektronikfertigung auf uns zukommen. Wir versuchen immer, einen Schritt weiterzugehen, damit wir bereit sind, wenn der Kunde mit seinen Anforderungen bei uns anklopft. Natürlich ist das mit Investitionen verbunden. Aber wir kommen nicht darum herum, wenn wir nicht den Anschluss zum Markt verlieren wollen.
Ihr Unternehmen bietet auch LED-Bestückung im Zusammenhang mit der Bestückung von übergrossen Platinen an. Welcher Herausforderungen entstehen bei der SMD-Fertigung?
Renato Papini: Die Bestückung übergrosser Leiterplatten kommt meistens im Zusammenhang mit der LED-Technologie vor. Andere Anwendungen gibt es eher selten. Wir haben in der Vergangenheit solche Leiterplatten auch schon mal mit Sensoren bestückt. In der Beleuchtungstechnik haben sie sich jedoch durchgesetzt. In dieser Branche müssen die Leiterplatten oft sehr lang sein. Deshalb haben wir unsere Anlage so ausgebaut, dass wir solche überlangen Leiterplatten bestücken können. Es lassen sich Leiterplatten bis zu 1550 Millimeter bestücken. Es gibt in der Schweiz nur wenige Hersteller, die das können. Damit heben wir uns klar vom Wettbewerb ab.
Placetec ist bekannt für kurze Reaktionszeiten auf Kundenwünsche. Allerdings besteht eine Abhängigkeit bei der Beschaffung von externen Zulieferern. Wie hat Placetec diese Hürden im letzten Jahr gemeistert?
Rolf Weyermann: Die momentan grösste Herausforderung ist in der Tat die Beschaffung der Komponenten. Die Transportwege funktionieren im Moment sehr schlecht, da der Flugverkehr enorm eingeschränkt ist. Second Source kann dabei eine Strategie sein. Unsere Kunden bestellen jedoch oft sehr kurzfristig, was das Ganze natürlich erschwert.
Renato Papini: Wir haben bereits Ende letzten Jahres unsere Kunden rechtzeitig informiert, damit sie die benötigten Bauteile bei uns rechtzeitig disponieren oder uns beauftragen, diese zu beschaffen. Wir versuchen, möglichst proaktiv zu handeln. Manchmal blieb uns nichts anderes übrig, als die Komponenten bei Brokern zu beschaffen, was allerdings den Preis in die Höhe trieb.
Wie wirkte sich die Pandemie auf Ihre Zielmärkte aus? In welchen Branchen stellten Sie eine Auftragszunahme fest? Aus welchen Bereichen kamen Unternehmen, die unter der Lage litten?
Renato Papini: Wir stellen natürlich fest, dass unsere Kunden aus der Medizintechnik höhere Bestellungen verzeichnen. Einen wirklichen Rückgang der Aufträge bei den anderen Kunden erkannten wir allerdings auch nicht. Einen Einbruch bei der Auftragslage während der Pandemie erlebten wir zum Glück nicht.
Wagen Sie eine Prognose, wie sich der Markt für EMS-Fertigungsunternehmen allgemein und Placetec im Speziellen entwickeln wird?
Renato Papini: Der Produktionsstandort Schweiz wird für viele Kunden wieder attraktiver. Wir merken das, weil wir wieder mehr Anfragen für Angebote erhalten als vor der Pandemie. Einige Hersteller überlegen sich konkret, gewisse Produkte wieder in Europa oder sogar in der Schweiz zu produzieren. Es hat ein Umdenken stattgefunden.
Wir erhalten oft als Feedback, dass die Kundennähe und die kurzen Reaktionszeiten sehr wichtig sind. Die Kunden haben bei uns zudem die Möglichkeit, direkt auf den Fertigungsprozess einzuwirken.
Rolf Weyermann: Ein weiteres Plus für unsere Kunden ist die Tatsache, dass wir auch kleinere Stückzahlen produzieren. Zudem fertigen wir Prototypen direkt auf der Serienfertigungsmaschine, also unter realen Produktionsbedingungen. Man erkennt so besser, wie man das Endprodukt bei der Serienproduktion noch verbessern kann und wie es allenfalls kostengünstiger wird.
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