Produktentwicklung Wissenswertes für Konstrukteure von der Hannover Messe
Neben den dominierenden Themen Automatisierung, Industrie 4.0 und Künstliche Intelligenz gab es auf der Hannover Messe 2023 auch innovative Materialentwicklungen, Bauteiloptimierungen und Fertigungsverfahren zu sehen. Wir haben neun Ideen für Produktdesigner entdeckt.

Bio-Kunststoffe für Hochtemperatur-Anwendungen in Automobilen
Das Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe (IfBB) hat aufbauend auf eine Machbarkeitsstudie, in der die Substitution von petrobasierten durch biobasierte Kunststoffe im Motorraum von Verbrennungsmotoren untersucht worden ist, gezielte Materialentwicklungen und -modifizierungen vorgenommen, um thermoplastische Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe branchenübergreifend im Hochtemperaturbereich anwendbar zu machen. Auf der Hannover Messe wurden verschiedene Referenzbauteile aus biobasierten Kunststoffen mit unterschiedlichen Anforderungen vorgestellt – wie ein Ladeluftrohr, der Deckel eines Ölfiltermoduls und eine Kabelverschraubung – die gezielt für hohe Temperaturbereiche entwickelt worden sind. Dabei müssen die Bauteile nicht nur den Materialanforderungen genügen, sondern auch zu einem angemessenen Preis zu produzieren sein und die jeweiligen Nachhaltigkeitsbewertungen bestehen. Neben der Weiterentwicklung der Verarbeitungsprozesse Spritzgiessen und Extrusionsblasformen wird auch die Aufwertung der Materialeigenschaften durch Strahlenvernetzung sowie die Fügbarkeit mittels Schweissen und Kleben untersucht.
KI-gestützte Topologieoptimierung mit stochastischen Algorithmen
Das luxemburger Software-Unternehmen Rafinex hat auf der Hannover Messe seine KI-gestützte Topologieoptimierungs-Software Möbius vorgestellt. Die als Cloud-Simulations-App verfügbare Designoptimierungs-Software stellt numerische Modelle für anspruchsvolle technische Anwendungen bereit, indem sie die reale Variabilität mithilfe von Methoden zur Quantifizierung von Unsicherheiten und die Herstellbarkeit berücksichtigt. Diese stochastischen Optimierungsalgorithmen führen zu robusten und langlebigen Designs, da sie keine Spannungs-Hotspots aufweisen. Die schnellen und intuitiven Workflows von Möbius können bereits in der Konzeptphase effektiv genutzt werden, um die Markteinführungszeit zu verkürzen.
Hochgeschwindigkeits-3D-Druck mit EHLA3D
Fraunhofer ILT informierte über sein EHLA3D-Fertigungsverfahren. Diese additive Fertigungstechnologie basiert auf dem extremen Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweissen (EHLA), welches sich durch hohe Prozessgeschwindigkeiten, geringen Wärmeeintrag und Flexibilität der Werkstoffauswahl auszeichnet. Es ermöglicht die Kombination von Strukturauflösung und Produktivität für die Herstellung von bspw. filigranen Bauteilen. Auf der Hannover Messe waren neben dünnen Aluminium-Bauteilen auch ein Modell eines Turbinenflügels aus Inconel 738 zu sehen.
Elektromechanisches aktives Polymer als intelligentes Materialsystem
Mateligent, eine Ausgründung der Universität des Saarlandes, verleiht mit leichten Silikonfolien Oberflächen neuartige Fähigkeiten. Mit den etwa 50 Mikrometer dünnen Silikonfolien lassen sich beispielsweise Eingabeelemente zum Vorschein bringen, die nach Betätigung wieder verschwinden. Zusätzlich können erfolgreiche Eingaben oder Warnsignale durch Töne signalisiert werden. Die dehnbare Schicht kann auch in Arbeitshandschuhen oder auf anderen Textilien verwendet werden, um Technik zu steuern. Feedback erhält der Anwender durch Klopfen, Vibrieren, Drücken und Tonsignale. Die Elastomere können dabei als elastischer Sensor, als Aktor oder eine Art Mini-Motor verwendet werden. Die Silikonfolie ist dafür beidseitig mit einer dehnbaren Elektrodenschicht bedruckt. Wird eine elektrische Spannung angelegt, drückt sie sich zusammen.
Kunststoffkomponenten mit integrierter Elektronik recyclinggerecht designen
Das Leibniz-Institut für Neue Materialien (Leibniz INM) stellte auf der Hannover Messe neuartige Materialien und Methoden vor, die es ermöglichen, in Kunststoff eingebettete elektronische Komponenten bei Bedarf aus diesen zu lösen. Dazu wurde eine Schicht entwickelt, die zwischen Polymer und Metall aufgebracht wird. Diese Trennschicht ist so beschaffen, dass sie während der Verwendung des Bauteils eine optimale Haftung der beiden Komponenten gewährleistet, bei Bedarf aber ermöglicht, Kunststoff und Metall wieder voneinander zu trennen. Anschliessend können Elektronik und Kunststoff separat wiederverwertet werden.
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