Predictive Maintenance Die Post setzt auf Predictive Maintenance zur Überwachung der Sortieranlage

Von Marc Tesch

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Mit geeigneter Sensortechnik, IoT und künstlicher Intelligenz lassen sich Anlagen und Maschinen automatisiert überwachen.

(Bild: Sick AG)

Kleinste Veränderungen wie Verbiegungen oder Brüche lassen sich im Millisekundenbereich detektieren. Diese Technik wurde im Paketzentrum der Schweizerischen Post in Härkingen umgesetzt.

Millionen von Paketen — dafür braucht es zuverlässige Sortieranlagen

Die Schweizerische Post sortiert und verteilt derzeit Rekordmengen an Paketen. Denn letztes Jahr stiessen zwei Effekte aufeinander: Einerseits verarbeitete die Post bereits seit dem Lockdown über 20 Prozent mehr Pakete. Andererseits kam mit dem Black Friday, der Cyber Week und Weihnachten die alljährliche Hochsaison hinzu, die zusätzliche Mengen brachte. Im April 2020 waren es durchschnittlich 850 000 Pakete pro Tag, die in den Paketzentren der Post sortiert wurden. Seit Ende November sind es nicht selten mehr als 1 Million Pakete pro Tag, die über die Sortieranlagen laufen. Wie meistert die Post diese Herausforderung? Die Verfügbarkeit der Anlagen ist hier ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Jeder Stillstand der Anlage reduziert die Anzahl der auslieferbaren Pakete. Deshalb hat sich die Post schon lange vor Covid-19 entschieden, in Zusammenarbeit mit der LeanBI AG, der Küffer Elektrotechnik AG, den Fachhochschulen St. Gallen und Rapperswil (jetzt OST) und dem Sensorhersteller Sick AG ein Innovationsprojekt zum Thema Predictive Maintenance zu starten. Zwischenzeitlich läuft das Projekt online und produziert täglich eine grosse Menge an Daten. Viermal im Jahr werden alternierend eine grosse und eine kleine präventive Wartung an den Sortern der Post durchgeführt. Das bedeutet für die Wartungsteams an diesen Tagen einen grossen Arbeitseinsatz, der normalerweise in der Nacht und am Wochenende stattfindet. Doch weit mehr belastend sind die ungeplanten Stillstände, denn diese fallen äussert unregelmässig an. Die Defekte an den Sortierwagen sind mit blossem Auge leider nicht immer zu erkennen. Patrick Egloff, Werkstattchef im Verteilzentrum Härkingen, wünscht sich: «Uns wäre sehr geholfen, wenn wir die Wartungsarbeiten geplant über das Jahr verteilen könnten und wir automatisiert wüssten, welche Wagen einen Defekt haben. Auch möchten wir die Menge ungeplanter Stillstände reduzieren. »

3-D-Machine-Vision von Sick erzeugt hochauflösende 3-D-Bilder

An den Wagen der sogenannten Kippschalensorter können verschiedene Defekte auftreten. Das sind Verbiegungen und Risse an den Fahrwerken, Verkrümmungen der Kipphebel und Brüche an den Kippmechanismen der Kippschalen. Bei bis zu 1080 Wagen pro Sorter ist eine Ausrüstung von Sensoren auf den Wagen kaum machbar. Herausfordernd ist, dass kleinste Verbiegungen von wenigen Millimetern zu detektieren sind. Also hat die Post nach einer stationären, qualitativ hochstehenden Überwachungslösung mit ausreichender Genauigkeit gesucht und gefunden. «Der Ruler von Sick erzeugt Messdaten auf der Basis des Lasertriangulationsprinzips. Hierbei wird die auf das Objekt projizierte Laserlinie von der ebenfalls im Gehäuse verbauten Kamera aufgezeichnet. Durch die Bewegung des Objekts (des Sorterwagens) entsteht somit ein komplettes Profil der Sorterunterseite (siehe Abbildung 1). Diese Art der Datenaufzeichnung ermöglicht es, anschliessend den Sorter auf mehrere Defekte parallel zu verifizieren. Der kompakte und robuste Aufbau des Rulers erlaubt es, ihn direkt unterhalb der vorbeifahrenden Sorter zu montieren und somit jeden Sorter bei der Durchfahrt aufzuzeichnen (siehe Abbildung 3). Die dadurch entstandenen dreidimensionalen Bilder jedes einzelnen Sorters werden anschliessend auf sogenannte Features (Messgrössen) evaluiert. Diese Features bilden eine Vielzahl an errechneten Distanzen und Flächen, die es wiederum erlauben, Veränderungen an den Wagenkomponenten festzustellen. Aufgrund des bereits beschriebenen hohen Durchsatzes an Paketen und der damit erforderlichen hohen Geschwindigkeit der Anlage bedarf es einer sehr schnellen Auswertung im Millisekundenbereich. Diese Auswertung der Features erfolgt durch die Sick-eigene Software-Plattform MQCS (Modulare Quality Control System). Darin integriert ist das ebenfalls Sick-eigene Software- Tool Easy Ranger, das die Features errechnet. Dieses ist vor Ort auf einem Sick- IPC installiert und wertet permanent die Daten aus. Im Fachjargon redet man auch von Edge-Computing. Die extrahierten Features werden dann mittels MQTT periodisch für ein Gateway bereitgestellt.

Mit IIoT, künstlicher Intelligenz und Lean Predict zu Predictive Maintenance

Damit sind wir aber noch lange nicht am Ziel. Zum Einsatz kommt nun Lean Predict, die Plattform der LeanBI. Die Daten werden kontinuierlich mittels des mobilen Netzes eines schweizerischen Netzanbieters in die Cloud geschoben, direkt in eine Datenbank. Das hat die Firma Küffer Elektrotechnik AG so umgesetzt. Auf dem Gateway bei der Post werden die Daten so aufbereitet, dass die benötigten Informationen optimal in der Cloud abgespeichert werden — natürlich unter Einhaltung des schweizerischen Datenschutzes. Jetzt kommt die künstliche Intelligenz (KI oder im Englischen AI: Artificial Intelligence) zum Zug. Die LeanBI hat für jeden Defekt ein separates Machine-Learning-Modell antrainiert. An die 20 Features sind die Inputparameter für die jeweiligen Modelle. Heraus kommt nun pro Wagen und Umrundung ein Defektwert mit einem zugehörigen Qualitätsmass. Liegt eine massive Beschädigung vor, wird der Wagen innerhalb von 24 Stunden überprüft. Hierfür wird eine E-Mail an das Wartungsteam gesendet, ein Dashboard zeigt zusätzliche Informationen, oder es wird ein Serviceauftrag automatisch in einem ERP oder Wartungstool ausgelöst. Scheint der Defekt noch klein zu sein, wird der Wagen weiter überwacht. Wird die Beschädigung über die Tage grösser oder fällt eine grössere Menge solch leichter Defekte an, findet auf diesen Wagen eine eingeplante Inspektion und Wartung statt. Die Planung der Wartung in kleinere Einheiten über das Jahr nimmt den Druck vom Wartungspersonal, verbessert die Diagnose und reduziert die Arbeiten in den grossen Wartungszyklen. Da wir mit dieser Lösung Veränderungen über die Zeit feststellen können, sprechen wir hier zu Recht von Predictive Maintenance. Das ist also ein Schritt mehr als reines Condition-Monitoring. Ein Mehrwert der Lösung ist, dass alle Defekte und Wartungsarbeiten historisch gespeichert sind. Damit werden Reports erzeugt, womit sich der Wartungsprozess stetig verbessern kann. Ein wichtiger Punkt für viele Betreiber: Lean Predict ist vollkommen entkoppelt von der eigentlichen Anlage, sei es in der Logistik oder in der Produktion. Lean Predict kann als geschlossenes System betrieben werden, was bezüglich Datensicherheit von grossem Wert ist.

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Am Anfang eines Predictive-Maintenance- Projekts steht immer der Nutzen

Am Anfang eines Predictive-Maintenance-Projekts steht immer die Evaluation des Nutzens.

In diesem Fall war das eindeutig die Erhöhung der Verfügbarkeit der Anlage. Häufig ist auch der Energieverbrauch ein Thema, auch Inspektions- und Wartungskosten können und sollen Argumente sein. Das muss nicht als Jobkiller bei den Wartungsspezialisten ankommen, wie bei unserem Beispiel zu sehen ist. Unsere Lösung zeigt : Predictive Maintenance unterstützt das Wartungsteam, macht es aber nie überflüssig.

sick.com/ch

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