Studie quantifiziert Energieverbrauch von Bitcoin Digitales Geld nachhaltiger machen
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Die Kryptowährung Bitcoin verschlingt grosse Mengen an Energie. Verantwortlich dafür ist das Proof-of-Work-Verfahren, das alle Transaktionen des digitalen Geldes legitimiert. Eine Studie der ETH Zürich im Auftrag des Bundesamts für Energie hat den Energieverbrauch quantifiziert und zeigt Wege auf, wie der Stromverbrauch durch Ausweichen auf weniger energieintensive Kryptowährungen gedrosselt werden könnte.

Für die einen sind Kryptowährungen Hokuspokus, für andere die Fortsetzung der Geldwirtschaft mit digitalen Mitteln. Zu jenen, die digitale Währungen als Zahlungsmittel bereits heute nutzen, gehört der Kanton Zug. Dort können seit Februar 2021 natürliche wie juristische Personen ihre Steuerrechnung mit den Kryptowährungen Bitcoin und Ether begleichen. Im ersten Jahr haben 41 Privatpersonen und 21 Unternehmen von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Die Abwicklung der Steuerzahlungen erfolgt über die Bitcoin Suisse AG. Diese wechselt die Kryptowährungen in Franken und überweist sie an die Zuger Finanzdirektion. Der Kanton trägt dadurch kein Wechselkurs-Risiko. Kryptowährungen sind für Steuerbehörden noch in einer anderen Hinsicht von Bedeutung. Personen, die an der Herstellung des digitalen Geldes verdienen, müssen diese Einnahmen nämlich versteuern. «Das Schürfen (Mining) von Kryptowährungen durch Zurverfügungstellen von Rechnerleistung gegen Entschädigung führt zu steuerbarem Einkommen», hält die Zuger Finanzdirektion fest.
Das Doppelte des Schweizer Stromverbrauchs
Um Banknoten und Münzen fälschungssicher zu machen, ist ein grosser Aufwand nötig. Das gilt auch für Digitalwährungen wie den Bitcoin. Letztere arbeiten auf der Grundlage der Blockchain-Technologie. Blockchains sind ein Instrument, um Informationen auf dezentral verteilten Computern ohne zentrale Kontrollinstanz (Behörden, Zentralbank) zu speichern. Dass die in der Blockchain gespeicherten Informationen nicht manipuliert werden können, wird durch einen sogenannten Konsensmechanismus sichergestellt. Dieser besteht im Fall von Bitcoin aus dem Proof-of-Work-Verfahren (siehe Infobox). Dieses Verfahren ist verantwortlich für den sehr hohen Energieverbrauch der Bitcoin-Währung, wie eine Studie im Auftrag des BFE nun zeigt. Autor der Untersuchung ist Dr. Vlad Coroama˘, bis Sommer 2021 Dozent für Smart Energy am Departement Informatik der ETH Zürich. Coroama˘ hat darin den Energieverbrauch von Kryptowährungen abgeschätzt. Demnach beträgt der Energieverbrauch für die Bitcoin-Währung pro Jahr über 100 TWh. Das entspricht dem Doppelten des jährlichen Schweizer Stromverbrauchs. Oder mit einem anderen Vergleich: Der Bitcoin braucht 25 bis 50 Prozent der Strommenge, die alle Rechenzentren der Welt zur Datenverarbeitung konsumieren (exklusive Kryptowährungen). Um diese Energie bereitzustellen, sind zehn Kraftwerke mit der Leistung des Kernkraftwerks Gösgen erforderlich.
Schutz vor Manipulation
Die Studie hat auch untersucht, worauf dieser immense Stromverbrauch zurückzuführen ist: Praktisch der gesamte Energieverbrauch (> 99 %) entfällt auf das Proof-of-Work-Verfahren, also den Konsensmechanismus, der bei Bitcoin eingesetzt wird, um die digitale Währung zwischen allen Nutzern zu legitimieren. Zusätzlich ist zwar auch Strom nötig, um Koordinationsnachrichten über Internet an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kryptowährung zu verschicken. Mit 6000 kWh ist dieser Verbrauch jedoch verschwindend gering. Vergleichsweise niedrig ist mit 30 bis 3000 MWh auch der Stromverbrauch für die dezentrale Speicherung der Blockchain, einer Datei mit einem Datenumfang von aktuell rund 455 Gigabyte. Die Studie zeigt nicht nur den immensen Stromverbrauch des Proof-of-Work-Verfahrens. Sie beschreibt auch Wege zu weniger energieintensiven Formen von digitalem Geld. Das ist umso wichtiger, als die Blockchain-Technologie nicht nur die Basis von Kryptowährungen ist, sondern dank Ergänzungen wie «Smart Contracts» und «Non-fungible tokens» (NFT) künftig für viele weitere Bereiche eingesetzt werden dürfte.
Sparsame Alternativen
«Die Blockchain-Technologie ist nicht zwingend mit einem hohen Energieverbrauch verbunden, denn es gibt energieeffizientere Alternativen, um Daten in einer Blockchain manipulationssicher zu speichern», sagt Dr. Vlad Coroama˘.. Während das Proof-of-Work-Verfahren sehr viel Energie braucht, kommt das Proof-of-Stake-Verfahren mit über tausendmal weniger Energie aus. Das ist ein Grund, warum Ethereum, die zweitgrösste Kryptowährung hinter Bitcoin, die Umstellung auf Proof-of-Stake als Konsensmechanismus beschlossen hat. Das Proof-of-Stake-Verfahren funktioniert im Prinzip so, dass Personen, die einen bestimmten Anteil der Kryptowährung besitzen, per Los zu «Prüfern» erhoben werden, die – gegen finanzielle Entschädigung – die Verlässlichkeit des Systems gewährleisten. Während Ethereum auf das energiesparende Proof-of-Stake-Verfahren umstellt, gibt es weitere Kryptowährungen wie EOS, Tezos oder TRON, die dieses Verfahren bereits länger einsetzen. Daneben existieren weitere Kryptowährungen, die andere, ebenfalls energetisch verträglichere Verfahren als Konsensmechanismus anwenden (z. B. «Proof-of-Allocation»).
Suche nach dem Hebel
«Bei Kryptowährungen und anderen Anwendungen der Blockchain haben wir heute schon Lösungen, die mit vergleichsweise wenig Energie auskommen. Dank dieses Vorteils haben meines Erachtens ‹Proof-of-Stake›-Währungen bessere Zukunftschancen als ‹Proof-of-Work›-Währungen», sagt Vlad Coroama˘.. Es werde interessant sein zu beobachten, ob beziehungsweise welche Hebel Privatunternehmen und Politik nutzen werden, die eine Hinwendung zu sparsamen Blockchain-Technologien begünstigen. Coroama˘ verweist dabei auf öffentliche Verwaltungen oder Unternehmen, die Kryptowährungen als Zahlungsmittel anerkennen.
Im Kanton Zug gibt es bisher keine Massnahmen, die darauf abzielen, energetisch vorteilhafte Kryptowährungen zu bevorzugen. «Zu diesem Thema gibt es aktuell im Kanton Zug keine Überlegungen, da nur wenige Transaktionen stattgefunden haben», sagt Finanzdirektor Heinz Tännler. Auch bei den Schweizer Banken ist eine solche Bevorzugung bislang kein Thema, wie ein Sprecher der Schweizerischen Bankiervereinigung (Swiss Banking) sagt. Bisher offerierten nur wenige Banken in der Schweiz Dienstleistungen für Kauf, Handel und Verwahrung von Kryptowährungen, auch finde das energieintensive «Mining» von Kryptowährungen kaum in der Schweiz statt.
Handhabe durch ESG-Kriterien
Der Sprecher der Bankiervereinigung verweist zugleich darauf, dass sich die Banken bei der Beratung von Privatkunden unabhängig von der gewählten Anlageklasse unter anderem am Leitfaden für den Einbezug der ESG-Kriterien orientieren würden. Diese Kriterien stehen für die Aspekte Umwelt (Environment), Gesundheits- und Arbeitsschutz (Social) und nachhaltiger Unternehmensführung (Governance). Die ESG-Kriterien bieten damit eine Handhabe, den hohen Stromverbrauch von Kryptowährungen in Beratungsgesprächen zumindest zu thematisieren.
Der hohe Energieverbrauch von Blockchain-Technologien auf Grundlage von Proof-of-Work wird unterdessen international rege diskutiert. So hat beispielsweise das EU-Parlament in einem jüngsten Regulierungsvorstoss mit dem Gedanken gespielt, die Verwendung von Kryptowährungen einzuschränken, die auf dem energieintensiven Proof-of-Work-Verfahren basieren. Der Vorschlag wurde schliesslich abgelehnt. Es steht aber weiterhin die Idee im Raum, das Mining von Kryptowährungen bis 2025 in die EU-Taxonomie für nachhaltige Aktivitäten aufzunehmen, um so den CO2-Fussabdruck der Kryptowährungen zu verringern.
Internationaler Expertendialog
Das Bundesamt für Energie nahm die Studie von Vlad Coroama˘ zum Anlass, das Thema in den Expertendialog unter dem Dach der Internationalen Energieagentur (IEA) einzubringen. Dort tauschen Fachleute aus zwölf Ländern einschliesslich der Schweiz Informationen und Erfahrungen aus und entwickeln Vorschläge für einen effizienten Umgang mit Energie. «Das Thema fällt international auf sehr grosse Resonanz», sagt Roland Brüniger, externer Leiter des BFE-Forschungsprogramms Elektrizitätstechnologien.
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