Automatisches Lesen von Autokennzeichen KI-gestützte Kennzeichenerkennung senkt Verwaltungsaufwand

Von Andreas Leu Lesedauer: 5 min |

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In der Schweiz werden KFZ-Kennzeichen – die so genannten Kontrollschilder – dem Halter und nicht dem Auto zugeteilt. Bei der Abmeldung müssen die Strassen- verkehrsämter deshalb die Kennzeichen ein Jahr lang für den Fall aufbewahren, dass der Halter im gleichen Kanton erneut ein Fahrzeug anmelden möchte.

Beim Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich treffen arbeitstäglich bis zu 1600 Nummernschilder ein.
Beim Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich treffen arbeitstäglich bis zu 1600 Nummernschilder ein.
(Bild: Klaus Vollrath)

Allein beim Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich mussten bis vor kurzem bis zu 80 000 Kennzeichenpaare in einem automatischen Lager vorgehalten werden. Eine anstehende Erneuerung des Lagers hätte viele Millionen gekostet. Dank eines cleveren neuen Konzepts, das auf eine computergestützte automatische Identifikation der Schilder setzt, kann diese Investition verringert werden. Zusätzlich wurden die Mitarbeiter gesundheitlich entlastet.

«Wir haben in der Schweiz insgesamt 28 verschiedene Kategorien von KFZ-Kennzeichen, die sich in Form, Anordnung der Zeichen, Farbe und Grösse unterscheiden», erläutert Stefan Bättig, Leiter Infrastrukturprojekte und Logistik beim Strassenverkehrsamt des Kantons Zürich. Zur Abmeldung braucht der Halter seine Kennzeichen einfach nur in einer Box vor den verschiedenen Standorten einzuwerfen. Im zentralen Lagerort in Zürich laufen pro Tag bis zu 1600 Kennzeichen ein. Diese müssen schnellstmöglich registriert, kontrolliert und entweder archiviert oder vernichtet werden. Kritisch ist hierbei der Anfall an Kennzeichen für PKW. Diese fallen in solchen Mengen an, dass ihre Aufbewahrung vollautomatisch in einem inzwischen 25 Jahre alten Automatiklager erfolgt. Für die Einlagerung müssen die Schilder zuvor in stabilen Kunststoffrahmen fixiert werden. Das Lager besteht aus insgesamt neun Schwerlast-Paternostern, die über zwei Etagen bis tief in das Kellergeschoss reichen. Für die anderen Fahrzeugkategorien reicht die manuelle Aufbewahrung der Kennzeichen in separaten Lagern.

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Lagermöglichkeiten ausgereizt

«Aufgrund des ständigen Bevölkerungswachstums näherte sich dieses Paternosterlager immer mehr seiner Kapazitätsgrenze», erinnert sich S. Bättig. Als die Belegung im Januar 2021 fast 95% erreichte, musste dringend eine neue Lösung her. Ein neues Gerät hätte viele Millionen gekostet und zudem enorme bauliche Aufwendungen erfordert. Deshalb wurde ein Konzept zur Verringerung der Lagerbelegung entwickelt. Eine Analyse der Reaktivierungsquote der eingelagerten Schilder ergab, dass mehr als 60% davon nicht wieder angefordert werden. Deshalb musste ein Konzept entwickelt werden, das eine sichere Aussortierung und Vernichtung nicht mehr benötigter Kennzeichen bereits vor der Einlagerung sicherstellte. Voraussetzung hierfür war eine Zweiteilung der Abgabecontainer. Diese weisen zwei deutlich gekennzeichnete Abgabeschlitze auf. Während die Abgabe zur Vernichtung kostenfrei ist, wird für einzulagernde Schilder eine Gebühr von CHF 40.– erhoben. Dadurch gelang es, die Belegungsquote des Paternoster-Lagers innerhalb eines halben Jahres auf inzwischen nur noch rund 50% zu senken.

Wichtige Entlastung für die Mitarbeiter

«Die Umsetzung des neuen Konzepts erforderte jedoch zunächst eine weitgehende Umstellung der bisherigen Abläufe bei der Registrierung der einlaufenden Schilder», weiss Roberto Accorinti, Leiter des Schilderlagers. Früher wurden die hereinkommenden Autoschilder grundsätzlich eingelagert. Um sie automatisch erkennen zu können, musste man sie zur Verbesserung der Lesbarkeit zunächst waschen. Verbogene Schilder wurden mithilfe einer Walzstation wieder gerade­gerichtet. Anschliessend wurden zusammengehörende Schilder gemeinsam in einem Kunststoffrahmen befestigt und darin auf eine Förderstrecke gesetzt.

Von dieser wurde jeder Rahmen einzeln mithilfe einer Liftmechanik vor eine Kamera geführt und mithilfe einer Zeichenerkennungssoftware eingelesen. Dieser Prozess war aufgrund des schlechten Zustands vieler Schilder sehr fehleranfällig: In rund 15% der Fälle musste die Ablesung manuell korrigiert werden.

Auch bedingte das Einklipsen der Schilder in den Rahmen eine erhebliche körperliche Belastung der Gelenke und Sehnen der Finger mit entsprechenden nachteiligen Folgen für die Gesundheit der Mitarbeiter. Die Beibehaltung dieser aufwendigen Prozedur für die Registrierung der von vornherein zur Vernichtung bestimmten Schilder hätte keinen Sinn gemacht. Allerdings mussten sie in jedem Fall ebenfalls registriert werden, um die amtliche Halter-Datenbasis aktuell zu halten.

Eigenständige Kameralösung für das Ausbuchen

«Eine manuelle Erfassung dieser Schilder ist wegen des erforderlichen Personalaufwands nicht zu bewältigen», ergänzt R. Accorinti. Zudem wäre die Fehlerquote viel zu hoch gewesen. Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung des Gesamtprojekts war deshalb eine eigene Anlage, um die zu vernichtenden Schilder mit hoher Zuverlässigkeit und kurzer Taktzeit vollautomatisch zu registrieren. Die Realisierung übernahm die auf diesem Gebiet spezialisierte Compar AG in Pfäffikon. Die hierfür entwickelte Anlage besteht aus einem Förderband, auf dem der Bediener – je nach Kategorie – das Schild oder das Schilderpaar orientiert ablegt. Der zugehörige Rechner verfügt über einen Touchscreen, eine Tastatur sowie weitere Eingabemöglichkeiten. Die Schilder werden über eine segmentierte Vorlaufstrecke getaktet in den gegen Fremdlichteinfall abgeschirmten Aufnahmebereich der Kamera gefördert und fotografiert. Die Auswertung erfolgt aus Sicherheitsgründen über gleich zwei unabhängige Softwarealgorithmen: Zusätzlich zu einer klassischen OCR-Lösung (Optical Character Recognition) kommt noch eine durch Künstliche Intelligenz (KI) unterstützte Cog­nex-Software mit der Bezeichnung «Vidi» zum Einsatz. Die Compar-eigene Bildverarbeitungssoftware VISIONexpert beinhaltet alle Algorithmen, vergleicht die Ergebnisse beider Analysen und reagiert auf Differenzen mit einem Warnsignal. Der Prozess wird angehalten und der Bediener aufgefordert, die Eingabe zu korrigieren. Anderenfalls werden die Schilder ausgeschleust. Darüber hinaus erkennt das Programm auch Abweichungen der aufgelegten Schilder von der vorgewählten Kategorie anhand von Merkmalen wie Format, Farbe oder Anordnung der Zeichen und veranlasst auch in diesen Fällen eine Ausschleusung. Korrekt erkannte Schilder landen in einem grossen Behälter zum Abtransport in einen Recyclingbetrieb.

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Einfach, schnell und sicher

«Die Anlage wurde bereits vor Auslieferung bei Compar vortrainiert und lief daher bereits bei Anlieferung im Herbst 2021 nahezu fehlerfrei», freut sich R. Accorinti. Die Zuverlässigkeitsquote bei der Erkennung der Schilder, die direkt aus der Einwurfbox der Ämter kommen und weder gewaschen noch begradigt werden müssen, liegt oberhalb von 99%. Der Bediener muss die Schilder nur mit der Schrift nach oben herum auf das Band legen.

Kleinere Abweichungen bezüglich Position und Winkel werden von der Software automatisch korrigiert. Das Einlesen erfolgt so schnell, dass der Anlagentakt nur davon abhängt, wie schnell der Mitarbeiter neue Schilder auflegt. Die erkannten Nummern werden in einer internen Datenbank gespeichert und zum Abgleich an die übergeordnete IT des Strassenverkehrsamtes weitergeleitet. Die wenigen ausgeschleusten Schilder können manuell verarbeitet werden.

Der Umgang mit dem System war für die Mitarbeiter einfach zu erlernen. Auch die von Compar erstellte Software habe sich als ausgereift, intuitiv bedienbar und gut handhabbar erwiesen. Im Vergleich zum bisherigen System, das für die einzulagernden Schilder nach wie vor zum Einsatz komme, können die Mitarbeiter deutlich mehr Schilder bewältigen, ohne gesundheitliche Nachteile befürchten zu müssen.

Compar «ein verlässlicher Projektpartner»

«Im Laufe der Konzipierung und Realisierung des Projekts hat sich Compar als hoch qualifizierter Partner erwiesen, der unsere Wünsche aufgriff und mustergültig erfüllte», bilan­ziert S. Bättig. Auch die Technik der Anla­ge sei durchdacht, auf Solidität und Langlebigkeit ausgelegt und funktioniere ohne Probleme. Wenn bei der Anwendung gerade am Anfang einmal etwas nicht klappte, wurde schnell reagiert. Einige kleinere Softwareanpassungen konnten schnell erledigt werden. Andere Fälle liessen sich – auch dank der integrierten Fernwartungsfunktion – ohne grösseren Aufwand telefonisch lösen. Wenn einmal der gewohnte Ansprechpartner nicht erreichbar war, so stand in jedem Fall qualifizierter Ersatz zur Verfügung. Die Zuverlässigkeit der Mechanik und Elektronik sei hervorragend: In dem knappen Jahr seit der Inbetriebnahme habe es keinen einzigen «klassischen» Ausfall gegeben.

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