Bauteileverknappung fördert Eigenständigkeit Lieferketten-Engpässe: Schweizer Industrie setzt auf Lageraufstockung
Neue Umfrage von Reichelt Elektronik belegt: Umdenken der Schweizer Industrie als Wegbereiter für resiliente Lieferketten.
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Engpässe in der Lieferkette bringen Schweizer Industrieunternehmen täglich an ihre Grenzen. Eine aktuelle Studie von Reichelt Elektronik zum Thema Lieferkettenengpässe macht deutlich: Die Lage hat sich in kürzester Zeit deutlich zugespitzt. Während in einer vergleichbaren Umfrage im Juni 2021 sich noch knapp 70 Prozent optimistisch gegenüber einer Besserung innerhalb der nächsten zwölf Monate aussprachen, blicken laut aktueller Umfrage nur noch 47 Prozent zuversichtlich in die Zukunft. Um Ausfälle zukünftig zu vermeiden, beschreiten Unternehmen deshalb unterschiedliche Wege.
Lagerbestände werden signifikant erhöht
81 Prozent der Befragten geben an, dass Lieferengpässe im vergangenen Jahr starke Auswirkungen auf ihr Unternehmen hatten, darunter auch komplette Produktionsstillstände. Hatten die Unternehmen im Juni 2021 noch durchschnittlich 41 Tage Produktionsstillstand aufgrund von Lieferengpässen zu beklagen, sind es gut ein halbes Jahr später schon 55 Tage. Ein Anstieg, der für etliche Firmen bedeutet, dass sie ihre Strategie überdenken müssen. War bislang das Just-in-Time-Prinzip noch weit verbreitet, bei dem die Lagerbestände auf ein Minimum reduziert werden konnten, erweist sich dieses bei Lieferschwierigkeiten als überholt.
Um diesem Dilemma zu entkommen, werden aktuell Lagerbestände erhöht: Mehr als die Hälfte aller Befragten (57%) bestätigen, dass sie ihre Lagerbestände signifikant aufstocken. Zum Vergleich, im letzten Juni hatten dies erst 45 Prozent getan.
Die angespannte Situation auf dem Markt und volatile Lieferketten stellen die Unternehmen jedoch vor Probleme, sich die Lagerbestände zu beschaffen – insgesamt kämpften 70 Prozent mit Schwierigkeiten, diese für bestimmte Komponenten oder Materialien aufzubauen.
Ist lokale Produktion eine Lösung?
Ressourcenknappheit war schon im Juni 2021 ein Problem (38%), und die Lage hat sich aber in den letzten Monaten nur marginal verbessert: 35 Prozent sehen darin nach wie vor ein erhebliches Risiko auf das eigene Unternehmen zukommen. Ähnlich besorgt sind Unternehmen, dass der Wettbewerb durch billigere Anbieter untergraben wird (35%). Ausserdem fürchten sie schwierige Handelsbeziehungen aufgrund politischer Entwicklungen (34%). Die Sorge um erhöhte Preise für kritische Komponenten, die früher sehr präsent war, ist mittlerweile nur mehr ein Nebeneffekt (18%).
Nichtsdestotrotz wird dadurch eine gewisse Abhängigkeit der Schweizer Industrie von der Lieferfähigkeit bestimmter Ressourcen deutlich. Um dem entgegenzuwirken, geben 65 Prozent an, dass sie aktuell bestimmte Produkte wieder selbst herstellen, die früher eingekauft wurden. 30 Prozent planen wieder mit der Eigenproduktion bestimmter Produkte zu starten. Lediglich fünf Prozent sagen, dass sie diesbezüglich noch keine Pläne haben.
Allerdings lassen sich nicht alle Produkte leicht selbst herstellen wie zum Beispiel Halbleiter. Für Schweizer Unternehmen können europäische Standorte deshalb eine attraktive Alternative darstellen, um die Versorgungssituation zu verbessern. Dafür bräuchte Europa mehr eigene Fabriken, wobei auch dann noch fraglich ist, ob europäische Halbleiter preislich mit denen aus Ostasien mithalten können.
Auf die Frage, welche Kriterien europäische Halbleiterproduzenten erfüllen müssten, damit Unternehmen ein gleiches Produkt trotz höherer Preise erwerben würden, ist den Befragten am wichtigsten, dass der Preisunterschied so gering wie möglich gehalten werden muss. Des Weiteren sind eingehaltene Liefergarantien (47%) und längerfristige Preisstabilität (44%) ausschlaggebend.
Vermehrte Investition und Förderung von Zukunftstechnologien in der Schweiz
Um den Anschluss an den Weltmarkt bei Zukunftstechnologien wie etwa der Halbleiterproduktion nicht zu verlieren, wünschen sich Unternehmen von der Politik einen stärkeren Schutz der hiesigen Wirtschaft durch Massnahmen wie Schutzzölle (30%). Im Juni 2021 waren es nur 25 Prozent, die sich dafür aussprachen. Das zeigt, dass in dieser kurzen Zeitspanne ein Umdenken in Richtung wirtschaftlicher Stabilität des Standortes Schweiz bei den Unternehmen stattgefunden hat.
Bei all den innovativen Alternativen bleibt dennoch die Frage, ob die Veränderungen auch nach der Pandemie anhalten werden. 54,5 Prozent denken, dass Unternehmen nach Bewältigung der Krise wieder zu Just-in-Time zurückkehren werden – zumindest für die meisten Komponenten. 24,5 Prozent meinen, dass dies für alle Komponenten zutrifft. 19 Prozent sagen jedoch, dass Just-in-Time Geschichte ist. Ob die Änderungen von Dauer sind oder aktuell nur ein Pflaster, um die Verwundbarkeit zu überbrücken, wird sich noch herausstellen.
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