Multiphysik spürt gefährliche Erwärmung auf
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In Patienten implantierte medizinische Geräte sollten so konzipiert sein, dass sie sicher und kompatibel mit MRT-Umgebungen sind. Das MED Institute setzt Modellierung und Simulation ein, um die RF-Erwärmung von Geräten in MRT-Systemen zu analysieren.

Weltweit werden jedes Jahr über 80 Millionen Magnetresonanztomographie(MRT)-Scans durchgeführt. Diese Scanner benutzen Magnetfelder, die zwischen 0,55 T (Tesla) und 3 T und mehr erreichen können. Für Patienten mit implantierten metallischen medizinischen Geräten können die von MRT-Systemen erzeugten starken Magnetfelder einige Sicherheitsbedenken aufwerfen. So erzeugen beispielsweise Hochleistungsmagnete Kräfte und Drehmomente, die das Implantat wandern lassen und den Patienten möglicherweise schädigen können. Darüber hinaus können die Gradientenspulen in MRT-Systemen, die zur räumlichen Lokalisierung verwendet werden, eine Erwärmung, Vibrationen, eine Stimulation des Gewebes und eine Fehlfunktion des Geräts verursachen. Schliesslich kann die grosse Radiofrequenz-Spule (RF-Spule) in MRT-Systemen leitende Implantate in elektromagnetische Resonanz bringen («Antenneneffekt»), was zu einer RF-induzierten Erwärmung führt, die den Patienten unter Umständen verbrennen kann. Das MED Institute, ein Auftragsforschungsinstitut für die Entwicklung medizinischer Geräte mit Komplettservice, verwendet Multiphysik-Simulation, um die Auswirkungen RF-induzierter Erwärmung von implantierten medizinischen Geräten auf MRT-Scan-Patienten besser zu verstehen.
Standardisierte Testmethoden für medizinische Geräte
Das MED Institute bietet Unterstützung während des gesamten Prozesses der Produktentwicklung an. Das Team für MRT-Sicherheit hilft den Herstellern bei der Bewertung und Durchführung physikalischer Tests ihrer Medizinprodukte im Hinblick auf Sicherheit und Konformität in der MRT-Umgebung (Abbildung 1). Das Team arbeitet eng mit der Food and Drug Administration (FDA) zusammen, die die Entwicklung von Medizinprodukten überwacht, um eine sichere und wirksame Anwendung zu gewährleisten. Ausserdem hält sich das Team an die Normen der American Society for Testing and Materials (ASTM) und der International Organization for Standardization (ISO). Insbesondere befolgt es die Norm ASTM F2182 zur Messung der RF-induzierten Erwärmung eines medizinischen Implantats in einem Gel-Phantom (Abbildung 2) und die Norm ISO/TS 10974 zur Bewertung elektrisch aktiver implantierbarer medizinischer Geräte (AIMD) während einer MRT.
Das für die Tests verwendete Gel-Phantom ist ein rechteckiger Acrylbehälter, der mit einem leitfähigen Gel gefüllt ist, das annähernd die thermischen und elektrischen Eigenschaften von durchschnittlichem menschlichem Gewebe besitzt. Das Phantom wird auf dem Patiententisch innerhalb der RF-Spule eines MRT-Scanners platziert, und faseroptische Temperatursonden (1 mm Durchmesser) werden am Gerät angebracht, bevor es in das Gel getaucht wird. Diese Sonden messen die Temperaturänderungen, die das Gerät während des MRT-Scans erfährt. Derartige physikalische Experimente werden häufig verwendet, sind jedoch nicht unproblematisch. So können Bewegungen innerhalb des Phantoms Unsicherheiten in das Experiment einbringen und zu ungültigen Ergebnissen führen.
Um diese Probleme zu lösen, setzt das Team des MED Institute computergestützte Modellierung und Simulation als Alternative zu physikalischen Tests ein. Teamleiter Dr. David Gross, Director of MRI Safety Evaluations and Engineering Simulations, erklärt: «Die Simulation liefert uns 3D-Temperaturkonturen überall innerhalb eines relevanten Volumens. Wir sind nicht auf diskrete Punktsonden-Messungen beschränkt und müssen uns nicht um die Ungenauigkeiten der Geräte oder die Unsicherheit der Sondenplatzierung im Experiment kümmern.» Das Team hat bereits Erfahrung mit der Durchführung dieser Simulationen für MRT-Systeme mit geschlossenem Tunnel, bei denen der Patient in einer kompakten Röhre eingeschlossen ist. Es nutzt nun Simulation, um dieselben Analysen für Systeme mit offenem Tunnel durchzuführen, die einen breiteren physischen Zugang haben.
Multiphysik spürt RF-induzierte Erwärmung auf
Mit der Software Comsol Multiphysics ist das MED Institute in der Lage, den RF-induzierten Temperaturanstieg in Implantaten zu bewerten und die Ergebnisse verschiedener Grössen und Designs eines Geräts innerhalb einer Produktfamilie zu vergleichen, um eine Worst- Case-Konfiguration zu ermitteln. Dazu importieren die Analysten eine CAD-Datei des Geräts oder Implantats in die Software und berechnen dann elektromagnetische Felder und Wärmetransport.Im folgenden Beispiel importierte das MED Institute eine CAD-Datei eines Knieimplantats inklusive Schaftverlängerung, Tibiaschale, Femurschale und weiteren Komponenten.
Alle diese Komponenten können unterschiedliche Grössen aufweisen und auf verschiedene Weise zusammengesetzt werden, und Patienten mit dem Implantat können in verschiedenen MRT-Systemen gescannt werden, die unterschiedliche elektromagnetische Felder erzeugen. Es ist oft nicht klar, welche Konfiguration zum Worst Case einer RF-induzierten Erwärmung führen würde.
«Hier kommt die Simulation ins Spiel. Man konzentriert sich auf die wichtigsten Faktoren, die die Resonanz eines bestimmten Implantats verändern können», sagt Gross. Mit der Comsol-Software ist das Unternehmen in der Lage, die relativen Grenzen der zu erwartenden Resonanz besser zu verstehen. Mit Sensitivitätsanalysen kann das Team testen, was genau die Veränderung der Resonanz verursacht, zum Beispiel die Änderung des Durchmessers des Schaftes oder anderer Komponenten des Implantats. Die Worst-Case-Analyse ist für den Verifizierungsprozess von entscheidender Bedeutung. Damit können Hersteller eine breite Palette von Geräten virtuell testen, anstatt physische Tests für jede Variante eines Produkts durchzuführen.
Wie in der rechten Abbildung der Abbildung 4 oben dargestellt, unterscheidet sich das elektrische Feld im Gel-Phantom eines 1,2-T-Systems mit offenem Tunnel (oben links) stark von dem eines 1,5-T-Systems mit geschlossenem Tunnel (oben rechts). Das Knieimplantat wurde in beiden Systemen simuliert, wobei die Ergebnisse eine andere Resonanz und einen anderen maximalen Temperaturanstieg am Ende des Schaftes zeigen (untere Bilder). Die Verwendung von Comsol ermöglichte es dem Team, besser zu verstehen, wie sich ein Gerät unter elektromagnetischen Feldern verhält. Anhand dieser Ergebnisse konnte das Team dann bestimmen, wo Temperatursonden angebracht werden sollten, während es das Gerät in einem tatsächlichen MRT-System testete, um Ergebnisse zum Temperaturanstieg zu erhalten.
Multiphysikalische Simulation ergänzt und ersetzt Tests
Die Erfahrungen des MED Institute mit dem Einsatz von Simulationen zur Prüfung der RF-induzierten Erwärmung medizinischer Geräte haben zur Entwicklung eines vielversprechenden neuen Simulationstools geführt, das den Produktentwicklungszyklus beschleunigt. Das Team des MED Institute reichte dieses Simulationstool beim Programm Medical Device Development Tool (MDDT) der FDA ein, das es der FDA ermöglicht, neue Tools zu bewerten, um medizinische Produkte und Studien zu fördern.
Sobald ein Tool qualifiziert ist, erkennt die FDA es als offizielles MDDT an. Im November 2021 erhielt das MED Institute die FDA-Qualifikation für sein MDDT «Virtual MRI Safety Evaluations of Medical Devices». Dabei handelt es sich um einen Bewertungsprozess, bei dem Multiphysik-Modellierung und -Simulation eingesetzt werden, um die Wechselwirkungen von Medizinprodukten in einer MRT-Umgebung zu testen. Das Tool wird für die Modellierung einer RF-Spule eines MRT-Systems, eines ASTM-Gel-Phantoms und eines in dem Gel platzierten Medizinprodukts verwendet. Die Simulation kann dann genutzt werden, um die Elektromagnetik und die Wärmeentwicklung um das Gerät zu analysieren.
Nach Abschluss der Tests wird die Kennzeichnung des Geräts durch die ASTM 2503 oder, wenn es sich um ein elektrisch aktives Implantat handelt, durch den ISO-10974-Test vorgenommen.
Die Kennzeichnung wird in der Gebrauchsanweisung angebracht, damit ein MRT-Techniker oder Radiologe die relevanten Informationen für einen Patienten ablesen kann. «Mit unserem MDDT können wir die physikalischen Tests nicht nur ergänzen, sondern in einigen Fällen sogar durch Simulation ersetzen», erklärt Gross.
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