Schrittmotoren Schrittmotoren einmal anders
Schrittmotoren finden sich heute in unzähligen Geräten und Maschinen. Das reicht vom Geschirrspüler über den Drucker zu Hause bis zu hoch präzisen Werkzeugmaschinen.
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Meist werden Schrittmotoren nur für einfachste Anwendungen wie z. B. das Schliessen eines Ventils, das Zustellen eines Aktuators oder das Verschieben des Druckkopfes bei einem 3-D-Drucker verwendet.
Der weitverbreitetste ist der sogenannte Hybridschrittmotor. Durch den einfachen Aufbau und die damit verbundene günstige Herstellung sind die Stückzahlen sehr hoch und die Herstellungs- und Einkaufspreise, verglichen mit anderen Motoren, sehr tief. Zusammen mit einer einfachen Elektronik erhält man so ein simples und günstiges Antriebs- und Positioniersystem.
In der Praxis zeigt sich jedoch, dass auch eine Schrittmotorsteuerung, die mit 128 Mikroschritten (0,014° Schrittwinkel) arbeitet, diese nicht genau auf die jeweilige Applikation abbilden kann. Mitunter werden Resonanzen, Schrittverluste und weitere Effekte wie Rippelmoment bei der Verfahr- und Positioniergenauigkeit zum Verhängnis, und die erwartete Genauigkeit wird nicht erreicht. Eine durchdachte Closed-Loop-Lösung kann diese Nachteile jedoch ausgleichen und aus einem sehr preiswerten Schrittmotor einen guten Servoantrieb machen.
An der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) wird derzeit viel über die Digitalisierung und ihre Umsetzung nachgedacht und geforscht. Eine Idee in diesem Bereich ist der Digital Twin, eine Maschine und ihr digitales Abbild, um alles innerhalb der Maschine, des Werkzeugs und des zu bearbeitenden Produkts zu erfassen. Sei es, um die Nachverfolgbarkeit der Produktionskette zu erfassen, den Werkzeugwechsel optimal zu bestimmen, oder sei es, um die Auslastung der Maschinen zu erhöhen oder deren Wartung zum richtigen Zeitpunkt zu koordinieren.
Innerhalb dieser Idee wurde eine einfache x-y-Kreuzachse aufgebaut, deren digitaler Zwilling im CAD erstellt wurde. Um diesen Zwilling im Computer zum Leben zu erwecken, müssen alle Systeme ihre Sensorwerte an ein zentrales System senden. Dieses verarbeitet die Daten und zeigt sie dem Nutzer auf verständliche Weise an.
Bei diesem Aufbau entschied sich die ZHAW für günstige Schrittmotoren mit Encoder und externer Steuerung als Antrieb. Da die Steuerung keinen Closed-Loop-Mode unterstützt, sondern nur den gesteuerten Mikroschrittbetrieb, tauchten schon während der Inbetriebnahme, wie nicht anders zu erwarten, die typischen Probleme auf.
Eine Open-Loop-Steuerung kann auf von aussen wirkende Störungen nicht reagieren, und deshalb ist es mit Schrittmotoren nicht immer möglich, der vorgegebenen Trajektorie genau zu folgen. Daraus resultieren ungenaue Konturen, nicht eingehaltene Toleranzen, kleine Geschwindigkeiten und mitunter grosse thermische Belastungen. Das 2-Achsen-System in Abb. 1 ist darauf ausgelegt, dass beide Antriebe synchron laufen, um zum Beispiel mit dem eingespannten Werkzeug einen Kreis zu fahren.
Open-Loop-Steuerungen neigen unter anderem zu Schrittverlusten bei Überlastung und bei bestimmten Geschwindigkeiten zu Resonanzen. Um die verschiedenen Phänomene zu überprüfen und nachzumessen, wurde ein Prüfstand (Abb. 2) aufgebaut, damit anschliessend die Erkenntnisse daraus in eine Simulation zum Digital Twin integriert werden können.
Dieser Prüfstand besteht aus einem DC-Motor, der als variable Last oder als Antrieb eingesetzt werden kann, einer Drehmomentmesswelle mit zwei Messbereichen (50 und 500 mNm) sowie einem hochauflösenden Encoder. Mit diesem Setup ist es möglich, die verschiedenen Problemfälle zu analysieren.
Open-Loop-Steuerung
Da ein Schrittmotor ein Synchronmotor ist, folgt das Rotorfeld dem Statorfeld. Kommt es aufgrund einer Last zu einer Phasenverschiebung zwischen diesen beiden Feldern, erhöht sich das auf den Rotor wirkende Moment, und der Rotor erfährt eine grössere Kraft. Wenn die Last zu gross wird, rastet der Motor aus, verliert Schritte oder bleibt ganz stehen. Ein Lastwechsel ist deshalb mit einer Positionsungenauigkeit verbunden. Um das zu messen, wurde der Schrittmotor zur Zeit t = 0 mit einem Lastsprung von 0,2 Nm, was rund 30% seines Haltemoments entspricht, beaufschlagt. Dabei wurden die Geschwindigkeit (Abb. 3a) und die Position (Abb. 3b) aufgezeichnet.
In Abb. 3a ist deutlich zu erkennen, dass das Ausgleichen des Lastsprungs eine Schwingung des Rotors anregt, die über einen längeren Zeitraum abklingt. Diese Schwingung wirkt sich auch auf die Position aus und führt dazu, dass es auf der Bahn zu einer Positionsabweichung von mehr als 1° (Abb. 3b) kommt. Das bedeutet, wenn eine Achse ein anderes Lastmoment erfährt als die andere, was sich in den wenigsten Anwendungen vermeiden lassen dürfte, laufen beide Antriebe nicht mehr synchron. Bei Applikationen, die einer genauen Trajektorie folgen müssen, kann das zu unerwünschten Ergebnissen führen. Diese Abweichung ist abhängig vom eingestellten Phasenstrom. Mit kleinerem Strom erhöht sich der Positionsfehler bis zum Schrittverlust. Bei höherem Strom kommt es zu einer grösseren thermischen Belastung des Motors und der Ansteuerung.
Ein weiteres Problem beim Beschleunigen ist, dass Resonanzen im Schrittmotor und dessen Ansteuerung angeregt werden, die das ganze System in Schwingungen versetzt. In einem weiteren Versuch wurde das System von 0 auf 100 U/min innerhalb von 10 s beschleunigt. Dabei kommt es zu einer Resonanz bei ungefähr 70 bis 80 U/min (Abb. 4a). Dass diese Resonanz auch zu einem Positionsfehler führt, ist verständlich und in Abb. 4b gut zu erkennen.
Dieses Verhalten ist von der Masseträgheit der Last und dem Phasenstrom abhängig und je nach Anwendungsfall unterschiedlich. Das schränkt das Einsatzgebiet dieser Ansteuerung massiv ein bzw. erhöht den Entwicklungsaufwand entsprechend, da die Drehzahlen auf den Bereich ohne Resonanz beschränkt werden müssen, die Last des Motors entsprechend angepasst oder der Bereich der resonanten Drehzahlen schnell überfahren werden muss.
Um diese Phänomene besser zu verstehen, wurde an der ZHAW ein detailliertes Simulationsmodell für Schrittmotoren entwickelt. Damit konnten die Probleme in einer Simulation nachgestellt werden. Abb. 5 zeigt die Resonanzerscheinung beim Beschleunigen. Vorteil der Simulation ist, dass verschiedene Parameter einfach variiert werden können, um deren Effekt zu zeigen, aber auch Werte aus der Simulation ausgelesen werden können, die sonst nicht oder nur sehr aufwendig zu messen sind.
Closed Loop Control
Um diese Resonanzeffekte und Positionsfehler zu minimieren, ist ein übergeordneter Regler nötig, der die Differenz zwischen Soll- und Ist-Position ausgleicht. Dazu ist es notwendig, die aktuelle Ist-Position des Rotors zu erfassen und einem Regler zuzuführen. Einfachere Schrittmotortreiber gibt es oft nur mit einem sogenannten Step/Dir-Interface. Hier müsste der Positionsregler zusätzliche Schritte erzeugen und dem Treiber zuführen. Da die meisten Treiber jedoch nur mit 16, 32, selten auch mit 256 Mikroschritten arbeiten, sind hier der Positionsregelung enge Grenzen gesetzt. Weiterhin ist ein übergeordnetes System notwendig, auf dem der Positionsregler implementiert ist.
Field Oriented Control (FOC)
Stand der Technik in der Ansteuerung von Synchronmotoren ist die sogenannte feldorientierte Regelung (field oriented control, FOC), diese kann auch bei Schrittmotoren angewendet werden. So bieten einige Hersteller bereits heute Schrittmotorsteuerungen an, die diese neue Ansteuerungsmöglichkeit beinhalten. Hierbei macht man sich zunutze, dass das maximale Drehmoment zwischen Rotor und Stator erreicht wird, wenn das Statorfeld dem Rotorfeld konstant um 90° voreilt. Steht z. B. der Rotor bei elektrisch 0°, wird der Stator mit elektrisch 90° bestromt. Somit entsteht ein Drehmoment, und der Rotor bewegt sich in Richtung des Statorfeldes um den Winkel γ. Diese Bewegung muss registriert werden, und der Stator wird wiederum mit der Position γ + 90° bestromt. Hierfür ist es also notwendig, die genaue Position des Rotors zu kennen. Bei einem Schrittmotor mit 50 Polen kann man sich das 50-mal auf den gesamten Umfang verteilt vorstellen. Die Ströme Iα und Iβ sind die beiden Phasenströme im Stator. Diese erzeugen einen magnetischen Fluss im Weicheisen des Stators und somit einen magnetischen Nord- und Südpol.
Mit der sogenannten Parktransformation ist es nun möglich, die verketteten Ströme Iα und Iβ in ein rotorfestes Koordinatensystem zu transformieren und so in den drehmomentbildenden Strom IQ und den Strom ID umzurechnen. Nun können beide Ströme mit einfachen PI-Reglern eingestellt und nachgeführt werden. Danach werden die Spannungen UQ und UD wieder ins Stator-feste System, also Uα und Uβ, mit der inversen Parktransformation zurückgerechnet und als Stellwert auf die entsprechenden Spulen gegeben.
Der Strom ID hat keinen drehmomentbildenden Anteil und wird deshalb meist auf null geregelt und der Strom IQ dem erforderlichen Drehmoment angepasst. Ein entsprechender Algorithmus gestaltet sich damit wie in Abb. 6 dargestellt.
Ein grosser Vorteil dieser Ansteuerung ist, dass genau der Strom eingeprägt wird, der für die entsprechende Last benötigt wird, was einen sehr effizienten Betrieb ermöglicht. Mit der in Abb. 6 gezeigten Struktur ist es nun möglich, einen Schrittmotor drehmomentgeregelt zu betreiben. Für eine Drehzahl- und Positionsregelung bedarf es natürlich noch einer Regelung, die sich in eine kaskadierte Struktur implementieren lässt.
Mithilfe des Motorsystems HDrive der Firma Henschel-Robotics konnten die Simulationen sehr einfach validiert werden. Das System basiert auf einem FOC-geregelten Bipolar-Schrittmotor mit einer Schrittweite von 1,8°. Dazu bietet dieses System einfach zu bedienende Schnittstellen für alle Betriebsarten, wie z. B. den Positions- und den Geschwindigkeitsregler, den Open-Loop-Schrittmotorbetrieb, aber auch den Stromregler. Somit kann der Motor mithilfe eines Simulink-Realtime-Target sehr einfach im Drehmomentmodus betrieben werden, um damit das entwickelte Modell zu verifizieren. Abb. 7 zeigt die Simulation der Schrittmotorregelung mittels FOC und die Beschleunigungsrampe ähnlich den vorherigen Messungen.
Vergleicht man diese Simulation nun mit einer Messung (Rampe von 0 auf 100 U/min), ergibt sich, wie in Abb. 8 gezeigt, ein sehr ähnliches und gegenüber dem Open-Loop-Betrieb sehr viel besseres Verhalten. Die Schwingung der Drehzahl und der Winkelabweichung bei 70 bis 80 U/min ist komplett verschwunden. Aber auch das Verhalten bei einem Lastsprung (wieder 0,2 Nm) ist sehr viel besser (Abb. 9). Die Drehzahlabweichung wird sehr schnell ausgeregelt, und der Positionsfehler ist ebenfalls deutlich geringer. Zu beachten ist ausserdem, dass es keinen bleibenden Winkelfehler mehr gibt wie bei der Open-Loop-Lösung. Das heisst, die zwei Antriebe würden nach dem Lastsprung wieder synchron verfahren. Dennoch ist in Abb. 9b deutlich zu erkennen, dass es eine Schwingung in der Drehzahl und eine Schwingung der Winkelabweichung von ca. ± 0,1° gibt.
Rippelmoment
Wer schon einmal einen Schrittmotor von Hand gedreht hat, spürt sehr deutlich ein Einrasten des Rotors. Dieses typische Verhalten für Hybridschrittmotoren nennt man Rast- oder Rippelmoment, und es entsteht aus der magnetischen Anziehung zwischen den Permanentmagneten des Rotors und dem Eisen des Stators.
Wird der Motor nun bestromt, ist dieses Rippelmoment nicht weg, sondern überlagert das, durch den Strom IQ eingeprägte Drehmoment und zieht den Rotor an eine andere Position als die durch die Reglung vorgegebene. Es entsteht die in Abb. 9b gezeigte Schwingung bei der Winkelabweichung.
Zum Rippelmoment kommen noch weitere Momente hinzu, die aus dem Aufbau des Hybridschrittmotors resultieren. Womit sich das Gesamtmoment eines Schrittmotors wie folgt ergibt:
Um das Rippelmoment des Schrittmotors zu messen, wurde dieser mithilfe eines DC-Motors sehr langsam angetrieben und mit der Drehmomentmesswelle das Lastmoment gemessen. Zeichnet man den Verlauf über eine mechanische Umdrehung auf und legt diese für die 50 Pole des Schrittmotors übereinander so ergeben sie Abb. 10 und Abb. 11.
Diese Aufteilung entspricht genau einer elektrischen Umdrehung bzw. mechanisch 7,2° am Rotor. Es ist deutlich zu erkennen, dass das Rippelmoment der vierfachen Frequenz einer elektrischen Umdrehung bzw. vier Vollschritten entspricht. Das ergibt sich ebenfalls aus dem Aufbau eines Hybridschrittmotors. Der Spitzenwert des Rippelmoments liegt hier bei durchschnittlich ± 4 mNm. Der hier ausgemessene Motor hat ein Haltemoment von 130 mNm.
Der Schrittmotor aus Abb. 11 weist ein sehr viel grösseres Rippelmoment auf, hat jedoch auch ein grösseres Haltemoment von 590 mNm. Was jedoch auffällt, ist der nicht mehr so gleichmässige Verlauf. Das resultiert aus Asymmetrien im Aufbau der Stator-Rotor-Kombination und der sich somit über den Umfang ändernden geometrischen Bedingungen, wie z. B. der Grösse des Luftspalts zwischen Rotor und Stator. Es ist aber nach wie vor die 4-fache Frequenz erkennbar. Im Simulationsmodell konnten diese Effekte nachgebildet und somit näher untersucht werden. Dadurch war es möglich, eine Kompensationsmethode zu entwickeln und diese auf dem Motor von Henschel-Robotics zu testen und zu verifizieren. Die Ergebnisse zeigen zum Vergleich Abb. 12 und Abb. 13, jeweils für die Beschleunigungsrampe und den Lastsprung.
Durch die Rippelmomentkompensation konnte die Positionsgenauigkeit noch einmal deutlich gesteigert werden.
Mithilfe dieser Kombination aus FOC und Rippelmomentkompensation lässt sich somit ein sehr effizientes und präzises Servosystem aufbauen, ohne dass die Komplexität der Ansteuerung signifikant steigt. Somit lässt sich auch der am Anfang erwähnte digitale Zwilling sehr viel einfacher umsetzen, da die Schwingungen beim Beschleunigen, beim Bremsen, bei Positionsungenauigkeiten, bei Laständerungen usw. nicht mehr mit modelliert werden müssen, somit kann insgesamt zu einem einfacheren System beigetragen werden.
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