Leistungsfähige Kleinstmotoren machen Roboter zum Multitalent Werkzeugwechsel ohne Pneumatik

Von Andreas Seegen, Faulhaber und Ellen-Christine Reiff, Stutensee Lesedauer: 4 min

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Ausgestattet mit innovativen Werkzeugwechslern, die sich auch elektrisch oder sogar manuell bedienen lassen, werden Roboter jetzt zu flexiblen Multitalenten, mit denen selbst Kleinserien und Einzelstücke wirtschaftlich gefertigt werden können. Bürstenlose DC-Flachmotoren mit hoher Leistungsdichte sind bei den elektrisch betriebenen Wechselsystemen die treibende Kraft.

Ein Adapter wird am Ende des Roboterarms befestigt, der dann verschiedene Werkzeuge aus einem Magazin aufnimmt.
Ein Adapter wird am Ende des Roboterarms befestigt, der dann verschiedene Werkzeuge aus einem Magazin aufnimmt.
(Bild: IPR)

Mit den Werkzeugwechselsystemen der TKX-Serie will IPR mit Sitz in Eppingen der robotischen Automation neue Möglichkeiten erschliessen, indem sich Roboter flexibler nutzen lassen. Dazu wird ein Adapter am Ende des Roboterarms befestigt, der dann verschiedene Werkzeuge aus einem Magazin aufnimmt.

Der gleiche Roboter kann so zum Beispiel ein Werkstück zunächst greifen und positionieren, es dann bearbeiten und schliesslich mit einem Konturtaster oder einer Kamera die Qualität prüfen und dokumentieren. Dafür bietet der Adapter Durchführungen für die entsprechenden Werkzeugfunktionen sowie mehrere seitliche Anschraubflächen für Zusatzmodule.

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Die Hauptaufgabe des Adapters ist jedoch, das Werkzeug nach der Aufnahme schnell und prozesssicher zu verriegeln und beim Ablegen nach Gebrauch die Verriegelung wieder zu lösen.

Verschiedene Antriebslösungen

Traditionell wird diese Aufgabe pneumatisch erledigt. Die Drucklufttechnik hat sich über Jahrzehnte bewährt und ist auch für die Handhabung sehr schwerer Objekte gut geeignet.

Ein Pneumatik-System braucht allerdings Kompressoren, Leitungen und eine eigene Steuerung. Bei Neuinstallation kommt somit eine hohe Investition zusammen. In Branchen mit erhöhten Anforderungen an Sauber­keit und Hygiene wie Mikroelektronik oder Lebensmittel ist Pneumatik wegen der Kontaminationsgefahr aufgrund austretender Druckluft oft nicht möglich; im Reinraum beispielsweise ist sie tabu.

Immer häufiger fällt die Wahl deshalb nicht auf pneumatische Antriebe, sondern auf elektrische. Roman Batz, Entwicklungsingenieur bei IPR erklärt: «Neben der hygienischen Unbedenklichkeit ist es vor allem die Flexibilität im Einsatz, die für Elektromotoren spricht. Im Gegensatz zu einem Druckluftanschluss ist eine Steckdose praktisch überall zu finden. Bei neuen Industrieanlagen verzichtet man heute oft auf die Einrichtung eines Pneumatik-Systems. Für Cobots und kleinere Roboter sowie für dezentrale Einsatzorte ist die elektrische Variante ohnehin fast immer die bessere Lösung.»

Elektrischer Antrieb als Alternative zur Pneumatik

Dass der elektrische Antrieb heute eine echte Alternative zur Pneumatik darstellt, hat auch mit der Motortechnik zu tun. «Da hat es in den letzten Jahren grosse Fortschritte gegeben. In unseren Anwendungen brauchen wir grundsätzlich sehr viel Leistung bei sehr kleinen Abmessungen. Bei Faulhaber finden wir Motoren, die mit pneumatischen Antrieben locker mithalten können», ergänzt Roman Batz.

Dabei müssen die Kleinmotoren Beachtliches leisten: Der derzeit stärkste elektrische Werkzeugwechsler, der TKE 300, ist für das Handling von Objekten bis 300 Kilogramm Gewicht geeignet. Er wird zum Beispiel in der Metallverarbeitung eingesetzt werden, wenn Roboter mit Gussblöcken oder grossen Schmiede­teilen hantieren. Dann wirkt die gesamte Masse mit ihrer Zugkraft auf den Verriegelungsring im Wechsler. Für das sichere Halten würde hier eigentlich schon das Dreh­moment ausreichen, das der Motor im Standbetrieb liefert. IPR hat hier jedoch zusätzlich eine selbstentwickelte Kinematik eingebaut, um eine besonders zuverlässige und spiel­freie Fixierung zu gewährleisten.

Viel Leistung auf kleinstem Raum

Die Antriebskraft für das Öffnen, Schliessen und Halten liefert ein bürstenloser Motor der Faulhaber-Familie BXT. Die Motoren wurden auf Basis der klassischen Aussenläufer-Bauweise entwickelt.

Dank innovativer Wicklungstechnik und optimierter Auslegung liefern die bürsten­losen DC-Servomotoren Drehmomente bis zu 134 mNm bei einem Durchmesser von 22 mm, 32 mm bzw. 42 mm und liefern bei hohem Wirkungsgrad eine Dauerleistung von bis zu 100 W. Damit übertreffen die kompakten Motoren die in dieser Antriebsklasse normalerweise üblichen Standards deutlich. Vor allem das Verhältnis von Drehmoment zu Bauraum und zu Gewicht ist wesentlich besser als der Marktstandard. Durch den hohen Kupferfüllfaktor und die Auslegung der Polschuhe ist das Magnetfeld stark und das Rastmoment sehr klein.

Diese Leistungsdichte gehört zu den Voraussetzungen für das Alleinstellungsmerkmal der neuen Produktfamilie von IPR, das Roman Batz so beschreibt: «Mit der TKX-Reihe kommen die ersten Werkzeugwechsler auf den Markt, die auf derselben Plattform sowohl mit pneumatischem als auch mit elektrischem Antrieb zur Verfügung stehen (Bild 6).

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Eine manuelle Version (Bild 7) gehört auch zur Produktfamilie. Das heisst, das gesamte Zubehörportfolio kann mit allen Antriebsarten genutzt werden. Auch ein Umstieg auf den elektrischen Betrieb erfordert keinen grossen Aufwand.»

Elektrische Werkzeugwechsler in sieben Baugrössen

Die elektrischen Werkzeugwechsler wird es in sieben Baugrössen geben für die Handhabung von Werkstücken von 3 bis 300 Kilogramm. Das deckt einen grossen Einsatzbereich ab, angefangen bei Leichtbaurobotern bis hin zu stationären Applikationen.

«Die Bandbreite der Baugrössen bei den BXT-Motoren sowie die grosse Auswahl an passenden Getrieben für die jeweils optimale Untersetzung war für uns ein wichtiges Kriterium», erläutert Roman Batz. «Hinzu kommt die Zuverlässigkeit. Roboter sollen siebenstellige Zykluszahlen ohne Wartung schaffen. Deshalb kommen nur bürstenlose Motoren in hoher Fertigungsqualität in Frage. Sie müssen zudem einfach zu regeln sein und ohne zusätzliche Steuerung auskommen. Dafür sorgt der integrierte Speed Controller. Nicht zuletzt müssen die Komponenten Temperaturen bis +80 °C vertragen.»

IPR bezieht alle Kleinmotoren von Faulhaber. «Die Zusammenarbeit begann vor vielen Jahren, lange vor meiner Zeit», erzählt der Entwicklungsingenieur. Neben der hohen Qualität der Produkte spielen für ihn weitere Aspekte eine wichtige Rolle: «Das fängt bei der sehr einfachen Auslegung von Motor-Getriebe-Kombinationen auf der Faul­haber-Website an. Ich brauche nur wenige Klicks, um mir einen umfassenden Überblick zu verschaffen. Die technischen Details sind sehr gut dokumentiert und wenn es um die präzise Berechnung der Feinheiten geht, wie zum Beispiel Wirkungsgrad, Stromverbrauch oder Temperaturentwicklung über die Zeit, bekomme ich jederzeit kompetente Unterstützung.»

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