Qualitätssicherung in der Elektronikproduktion Der Qualität verpflichtet
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Sie ist in Europa die Nummer 1 der EMS-Dienstleister, beschäftigt weltweit knapp 12 000 Mitarbeitende und erwirtschaftete im Jahr 2021 rund 1,9 Milliarden Euro Umsatz. Wir sprechen hier von der Zollner Gruppe mit der Zollner Electronics GmbH in der Schweiz. Wie geht das Unternehmen mit der Herausforderung Qualitätssicherung über die gesamte Prozesskette um?

Der Elektronikdienstleister Zollner Electronics AG beliefert die unterschiedlichsten Branchen, darunter auch solche mit besonders speziellen Anforderungen und hohen Qualitätsansprüchen wie z. B. die Medizin- oder Bahntechnik. Was das für das Unternehmen, die Mitarbeitenden sowie die Arbeitskultur bedeutet und wie die digitale Transformation umgesetzt wird, schildert uns Walter Pfeiffer, Geschäftsführer des Schweizer Standorts Zollner Electronics GmbH.
at - Aktuelle Technik: Herr Pfeiffer, welche EMS-Dienstleistungen bietet Zollner am Standort Schweiz in Hombrechtikon an? Aus welchen Branchen kommen hauptsächlich die Kunden?
Walter Pfeiffer: Als Teil der Zollner-Gruppe sind wir in der Lage, das komplette Dienstleistungsspektrum von Zollner anzubieten, sowohl von der Fertigung (am Standort: von elektronischen Flachbaugruppen über Baugruppen bis hin zur kompletten Gerätemontage) über After Sales Services (z. B. Refurbish) als auch dem gesamten Supply Chain und Product Life Cycle Management. Ergänzt wird das Leistungsangebot um die Möglichkeiten unserer Zentralbereiche, vor allem der Entwicklung, einschliesslich der dazugehörenden Analyse und Umwelt-Labors.
Als Komplettanbieter für die Fertigung von Elektronikkomponenten spielt das Qualitätsbewusstsein im Unternehmen eine entscheidende Rolle. Die Zollner Electronics erfüllt eine Vielzahl von Zertifizierungen. Wie schaffte es Zollner, diese konkret an jedem Arbeitsplatz umzusetzen? Braucht es zusätzliche Massnahmen?
Hier greifen mehrere Massnahmen ineinander: ein integriertes Qualitätsmanagementsystem, einheitliche Prozesslandschaft, standardisierte und unternehmensweit einheitliche Fertigungsanlagen und vor allem regelmässige Schulung aller Mitarbeitenden. Dies wird alles immer konzernweit betrachtet, somit verfügt praktisch jeder Standort über den gesamten Wissensschatz der Gruppe. Grundvoraussetzung hierfür ist eine entsprechende, einheitliche Unternehmenskultur, die das Gesamtunternehmen im Fokus hat und nicht den Wettbewerb des Marktes in einen Wettbewerb zwischen den Zollner-Standorten hineinträgt. Hier kommt uns das organische Wachstum über die letzten 50 Jahre zugute, das nicht mit den zusätzlichen Integrationsschwierigkeiten von unterschiedlichen Unternehmenskulturen im Falle eines Wachstums durch Zukauf belastet wird.
Wie haben sich die Qualitätsansprüche der Kunden verändert? Gibt es branchenspezifische Unterschiede?
Dadurch, dass Zollner vor allem in Branchen unterwegs ist, die von Haus aus hohe Ansprüche an Qualität und Zuverlässigkeit haben (Automotive, Bahntechnik, Healthcare & Lifesciences, um nur einige zu nennen), ist hier praktisch im Gleichschritt eine Entwicklung hin zu laufend höheren Qualitätsansprüchen festzustellen. Dies wird darüber hinaus auch noch verstärkt durch die laufende Weiterentwicklung der entsprechenden normativen Vorgaben, als Stichworte seien hier nur Medizinprodukteverordnung, IVDR und TISAX genannt. Und nicht zuletzt ist auch die Gesetzgebung nicht untätig, hier sei als Stichwort nur das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz genannt.
Welche Testverfahren bietet Zollner den Kunden an, um eine kontinuierliche Qualität zu gewährleisten? Werden die Komponenten und Geräte ausschliesslich zu 100 Prozent getestet?
Auch hier ist es die Gesamtheit der Massnahmen, die den Unterschied macht. Es gilt je länger je mehr die Aussage «Qualität wird nicht erprüft, sondern gefertigt». In der täglichen Praxis heisst dies, dass bereits die zum Einsatz kommenden Fertigungsprozesse als solches validiert und über möglichst kurze Regelkreise in ihrem Zielkorridor geführt werden müssen. An den entscheidenden Stellen setzen dann die einzelnen Testverfahren an, beginnend mit AOXI bereits nach der SMT (aber auch sonstigen Lötprozessen), gefolgt von elektrischen Tests wie Flying-Probe oder ICT bis hin zu funktionalen Tests in Form von Boundary Scan oder produktspezifischen FATs. Gehen Flachbaugruppen dann in Baugruppen oder gar Gerätemontage, sind auch dort an den entscheidenden Prozessschritten zum Teil vom Kunden vorgegebene, zum Teil von Zollner im Rahmen der Prozessführung definierte Prüfschritte integriert, bis hin zu beispielsweise elektrischen Sicherheitstests im Fall von an Netzspannung zu betreibenden Geräten. Last, but not least setzen wir bei Zollner begleitend und in Absprache mit den Kunden das Instrumentarium der Traceability ein, um eine möglichst lückenlose Absicherung der Qualität der von uns gefertigten Produkte sicherzustellen.
In der Prozesskette werden das End-of-Life-Management, Reparaturservice und die Kreislaufwirtschaft zunehmend wichtiger. Wie sehen für Zollner diese Herausforderungen aus?
Wie bereits erwähnt, sind wir vor allem im Bereich von Healthcare- und Lifesciences-Produkten bereits heute mit Refurbish von aus dem Feld zurückkommenden Geräten tätig. Als ISO-14001-zertifizierter Standort sind wir auch ständig daran, den Ressourcenverbrauch zu optimieren und die Umwelteinwirkungen zu minimieren (z. B. durch Ersatz von Gefahrstoffen). Hier sind wir als Dienstleister aber sehr stark auf die Unterstützung unserer Kunden angewiesen, spüren aber auch hier ein Umdenken in Richtung proaktives Handeln.
Wichtig ist auch, das Bewusstsein für die Kreislaufwirtschaft über die gesamte Prozesskette zu verinnerlichen. Das beginnt bereits im Engineering. Wenn im Design Materialien verwendet werden, die schlecht recyclebar sind, wird es bei den Folgeprozessen schwierig.
Wie geht Zollner mit der digitalen Transformation bei den Prozessen um? Können Änderungen zu einem digitalisierten Prozess dazu helfen, die Qualität der hergestellten Produkte zu verbessern? Es geht z. B. um die Auswertung und Interpretation der Produktionsdaten.
Auch auf diesem Feld ist Zollner sehr aktiv – die vorhin erwähnte Traceability wurde von Zollner bereits vor rund 20 Jahren eingeführt (und im Rahmen eines ZVEI-Projektes auch aktiv an der Ausgestaltung als Industrie-Standard mitgestaltet). Ohne Digitalisierung wäre dies schlicht nicht möglich. Aber auch die konsequente Erfassung aller Mess- und Prüfdaten in einer zentralen Datenbank mit entsprechenden Auswertemöglichkeiten für kurze Regelkreise im Sinne der Qualitätssicherung gehört bei uns zum Standard-Repertoire. Darüber hinaus treiben wir auch bereits mit Methoden von RPA und KI die Digitalisierung weiter voran, immer mit dem Ziel, unseren Kunden noch bessere Qualität und wenn möglich auch zu geringeren Kosten liefern zu können.
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