Kompakte Antriebstechnik Innovation und Tradition vereint
Anbieter zum Thema
Der Antriebsspezialist Faulhaber mit Sitz in Schönaich (D) feierte letztes Jahr sein 75-jähriges Jubiläum, die Tochtergesellschaft Faulhaber Minimotor in Croglio (TI) das 60-jährige. Zeit für eine kurze Rückschau. Vor allem sind in diesem Interview die heutigen Herausforderungen sowie die Zukunft die Hauptthemen.

Als traditionelles Familienunternehmen legt Faulhaber grossen Wert darauf, selbstbestimmte unternehmerische Entscheidungen treffen zu können, ohne fremden Interessen Rechnung tragen zu müssen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Investition in die Grundlagenforschung, um – ganz in der Tradition des Gründers Dr. Fritz Faulhaber – neue Antriebstechnologien für Trends von morgen bereits in der Schublade zu haben, lange bevor die Kunden danach fragen. Diese Fähigkeit zur frühzeitigen Identifikation neuer Anwendungsgebiete für innovative Antriebssysteme ist einer der Gründe für den anhaltenden Erfolg. Die at – Aktuelle Technik sprach mit dem CEO Steffen Pruchnik und Verkaufsleiter Rolf Leitner, beide von Faulhaber Minimotor SA (Croglio), über technische Herausforderungen und Ziele für die kommende Zeit. Ist Faulhaber gut gerüstet?
at – Aktuelle Technik: Herr Leitner, in einem früheren Interview erzählten Sie mir, dass bei Faulhaber rund 40 Prozent des Umsatzes mit kundenspezifischen Produkten generiert werden. Können Sie sich noch an Ihr erstes Kundenprojekt erinnern und wurde es zum Erfolg?
Rolf Leitner: Ich erinnere mich noch gut an ein ganz spezielles Projekt mit entsprechend hohen Anforderungen an die Antriebe. Es handelte sich dabei um ein Medizingerät für Anästhesie-Anwendungen und wurde in der Tat zum Erfolg. Der Motor wurde für eine sehr kleine Pumpe verwendet. Gerade in der Corona-Zeit war das Gerät enorm gefragt. Wir erhielten den Auftrag, weil wir sehr flexibel waren und das richtige Produkt zur richtigen Zeit anbieten konnten.
Gibt es noch weitere Erfolgsstorys, von denen Sie berichten können? Ein Projekt, bei dem Sie sagen können: Das ist typisch Faulhaber.
Rolf Leitner: Jedes Produkt, welches wir zur Serienreife bringen, kann als Erfolg bezeichnet werden. Mir geht da gerade ein weiteres Projekt für Medizingeräte durch den Kopf. Auch hier erhielten wir den Auftrag, weil unsere Motoren äusserst kompakt sind, sehr leistungsfähig, und dies zu einem attraktiven Preis. Gerade bei Medizin-Anwendungen spielen wir unsere Stärken aus.
Herr Pruchnik, Sie waren seit 2006 bei Faulhaber, Deutschland, vorwiegend im Bereich der Logistik tätig und sind seit 2020 als Geschäftsleiter für die Geschicke der Faulhaber Minimotor hier im Tessin verantwortlich. Wie gefällt es Ihnen hier und was reizt Sie an dieser Aufgabe?
Steffen Pruchnik: Ich bin hier im Tessin bereits seit 2014 in verschiedenen Funktionen tätig: im Einkauf, in der Planung, in der Logistik sowie in der Produktion. Im Jahre 2020 durfte ich die Geschäftsführung übernehmen. Die Herausforderung, einen Standort komplett zu leiten, ist natürlich etwas ganz anderes, als «nur einen Bereich» zu führen. Gerade die Schweiz ist diesbezüglich sehr spannend, weil es sich hier vorwiegend um Anwendungen in der Medizintechnik und in der Robotik handelt. Als ich 2020 die Leitung übernahm, begann sofort die Corona-Krise, was eine grosse Herausforderung für das ganze Unternehmen bedeutete. Danach fing der Ukraine-Krieg an, mit den bekannten Lieferengpässen. Letztendlich bedeutet dies, dass wir uns praktisch seit meiner Übernahme im Ausnahmezustand befinden. Es ist eine riesige Herausforderung, die mir persönlich sehr viel Spass macht. Dies auch, weil ich hier auf ein tolles Team zählen kann.
Kommen wir noch kurz zur Marktposition von Faulhaber. Wir haben bis jetzt vorwiegend über die Medizintechnik gesprochen. Verfolgen Sie mit Ihrer Strategie das Ziel, auch andere Märkte hier in der Schweiz zu erschliessen?
Steffen Pruchnik: Wir haben bei uns in der Gruppe in den letzten Jahren ganz klar sechs Marktsegmente definiert. Dazu gehört auch die Robotik, die hier in der Schweiz einen hohen Stellenwert hat. Speziell in diesem Bereich wollen wir uns weiter spezialisieren und uns breiter aufstellen. Der Erfolg gibt uns momentan recht, dass es die richtige Strategie ist, sich auf ein paar Segmente zu konzentrieren.
Inwiefern haben sich gerade in den Bereichen Medizintechnik und Robotik die Anforderungen an die Antriebe verändert? Passen Sie sich diesbezüglich auf dem Markt an?
Steffen Pruchnik: Einerseits handelt es sich um die technischen Ansprüche. Hier stellen wir fest, dass die Anforderungen an die Kompaktheit und die Individualität gestiegen sind. Anderseits sind die Anforderungen an die Lieferzeit, an die Preise und die Produktverfügbarkeit in den letzten Jahren enorm gestiegen. Wir sind deshalb sehr kundenorientiert und gehen, mehr noch denn je, auf die spezifischen Bedürfnisse ein. Unsere Standardprodukte sind sozusagen die Türöffner, bei über 30% handelt es sich jedoch um speziell auf den Kunden modifizierte Produkte. Also weg vom Standardprodukt. Der Kunde möchte von uns eine auf ihn abgestimmte Antriebslösung, bestehend aus Motor, Getriebe, Steuerung und den Services wie zum Beispiel der Parametrierung.
Gerade bei der Robotik sind auch die Anforderungen in Bezug auf Sicherheit stark gestiegen. Wie geht Faulhaber zum Beispiel mit dem Thema Safety um?
Rolf Leitner: In diesem Bereich versuchen wir, im Gespräch mit dem Kunden die spezifische Anforderung herauszufinden und in die Entwicklungsabteilung einzubringen. Am Ende haben diese Forderungen auf den gesamten Antriebsstrang einen Einfluss. Dazu gehört auch die Mechanik, wie eine Spindel oder der eingesetzte Encoder. Es ist also wichtig, dass wir im Gespräch mit den Spezialisten auf Kundenseite zuerst die technische Lösung suchen. Je früher uns die Kunden in die Projekte einbinden, desto optimaler ist am Schluss die Lösung. Als Beispiel: haben wir anstatt 18 mm 20 mm Bauraum zur Verfügung, können wir möglicherweise auf einen Standard-Motor mit kleinen Modifikationen zurückgreifen. Das schlägt sich dann auch im Preis nieder. Ein Grossteil der Kunden bezieht deshalb bei uns den gesamten Antriebsstrang inklusive Ritzel, Zahnriemenrad oder Spindel, um am Ende einen optimalen Preis zu erzielen.
Seit 75 Jahren existiert Faulhaber am Hauptsitz in Schöneich und seit 60 Jahren hier in Croglio. Zudem gibt es eine weitere Produktionsstätte in der Westschweiz. Welche Vorteile bringt die Fertigung in der doch eher «teuren» Schweiz? Oder spielen da auch andere Parameter eine Rolle, wie zum Beispiel die Qualifikation der Mitarbeitenden?
Steffen Pruchnik: Lassen Sie uns zunächst auf die Fertigung schauen. Unsere Produktionsstätten sind in den Ländern Deutschland, Schweiz, Ungarn und Rumänien. Hier in der Schweiz werden unsere Antriebe fertig assembliert und gehen direkt zum Kunden. Denn an diesen Stellen liegen unsere Komponenten am Lager und wir können bei Bestellungen oftmals unter einer Woche liefern. Das heisst, dass wir hier im Tessin kleinste Serien oder die Prototypen herstellen, um folglich die Serienfertigung an andere Produktionsstätten weiterzugeben, wo die Lohnkosten niedriger sind.
Deren Sitz ist zum Beispiel in Ungarn oder in Rumänien und wir lassen diese dort via Kanban fertigen. Der Vorteil der Schweiz liegt darin, dass wir dank unseren Strukturen von hier aus die Märkte sehr schnell beliefern können.
Für die Entwicklung ist natürlich der hohe Bildungsstandard in der Schweiz enorm von Vorteil. Von den Hochschulen und Universitäten wie ETH oder EPFL kommen hervorragende Ingenieure zu uns. Für die Entwicklung solcher Mikrosysteme brauchen wir sehr gute, wenn nicht sogar die besten Ingenieure. Es ist nicht immer einfach, diese Fachkräfte in das Tessin zu locken. Oftmals möchten sie zum Beispiel lieber in Zürich arbeiten. Deshalb müssen wir hier attraktive Arbeitsplätze bieten. Die schöne Landschaft reicht an dieser Stelle nicht aus. Wir setzen deshalb auf langfristige Zusammenarbeit mit unseren Mitarbeitenden. Die meisten sind deshalb seit über 10 Jahren bei uns. So können wir deren Erfahrungen in unsere Produkte einfliessen lassen.
Stellen Sie durch die digitale Transformation veränderte Anforderungsprofile für die Produkte und Prozesse fest? Wie verändert sich dadurch die Arbeit der Mitarbeiter?
Steffen Pruchnik: Fangen wir der Einfachheit halber mal mit dem Beginn von Corona an. Diese Pandemie hat uns praktisch die schnelle Digitalisierung «beschert». Innerhalb von vier Wochen wurden wir gezwungen, dass jeder Mitarbeiter über einen externen Zugriff verfügt.
Das hatten wir vorher nicht. Das ist eine digitale Transformation im Sinne «wo erledige ich am besten diese Arbeit», vom Home-Office aus oder besser vor Ort. Eine Umsetzung war schon vorher geplant, aber immer wieder auf die lange Bank geschoben worden. Mit Corona gingen sozusagen alle Schleusen auf. Jeder musste einen Laptop haben, die Server sollten schneller laufen, die Firewall sicherer werden und so weiter. Dies brachte uns die Erkenntnis: Schau an, wenn man will, geht alles doch recht schnell. Selbstverständlich betraf dies nicht die Mitarbeitenden aus der Produktion.
Andere Projekte haben wir angepackt und auch gestartet, wenn wir zum Beispiel von einer papierlosen Fertigung sprechen. Nach dem Motto: ich möchte nicht alles ständig ausdrucken, sondern jederzeit den aktuellen Stand auf einem beliebigen Monitor anschauen können. Dieser Prozess läuft bereits in unserem Mutterhaus in Schönaich. Die Umsetzung ist insofern komplexer, als bezüglich der Stammdaten im SAP und PLM einiges umgestellt werden muss, damit diese einfacher in die Produktion transferiert werden können. Wir haben zudem schon sehr viel in der Entwicklung digitalisiert. Im Bereich des digitalen Zwillings sind wir leider noch nicht ganz so weit, wie wir das gerne hätten. Es existieren zwar Pläne, aber bei der Umsetzung sind wir noch am Lernen. Wie so oft werden unsere internen Pläne durch neue Kundenprojekte nach hinten verschoben (lacht), weil diese für uns immer die höchste Priorität haben. Wir als Mittelständler versuchen aber, diesen Spagat mit Fingerspitzengefühl zu meistern. Allein durch die Tatsache, dass wir an allen Standorten synchron produzieren, sind wir gezwungen, das Thema Digitalisierung voranzutreiben.
Am weitesten fortgeschritten ist die digitale Transformation bei der Planung. Hier sind wir in absehbarer Zeit so weit, dass wir gemäss dem Kundenwunsch automatisch Liefertermine abgeben können oder dass automatisch die Kapazitäten und die Materialverfügbarkeit an den Werken abgefragt wird. Auch bei diesem Prozess ist die Qualität der Stammdaten elementar und muss abgeglichen werden. Wir haben uns bei grossen Unternehmen tolle Lösungen angeschaut, aber auch hier gilt: wir sind ein Mittelständler. Aufgrund der finanziellen und personellen Ressourcen sind wir deshalb praktisch gezwungen, kleinere Schritte zu machen. Wie das bei vielen Dingen Tradition bei Faulhaber ist.
(ID:49027094)