Interview zum Führungswechsel bei Carl Geisser Wir sprechen die Sprache des Kunden

Von Andreas Leu |

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Das Traditionsunternehmen Carl Geisser mit Sitz in Frauenfeld ist ein erfolgreicher Anbieter für Gesamtlösungen rund um den Schaltschrank und feiert dieses Jahr sein 75-Jahr-Jubiläum. Der richtige Zeitpunkt, um auf eine technisch bewegte Zeit zurückzublicken sowie etwas über die zukünftigen Pläne des Unternehmens zu erfahren.

Marc Senn übernimmt die Geschäftsleitung von Carl Geisser von Vater Bruno Senn.
Marc Senn übernimmt die Geschäftsleitung von Carl Geisser von Vater Bruno Senn.
(Bild: Aktuelle Technik)

Man darf Bruno Senn mit Fug und Recht als «alten Hasen» auf dem Automatisierungsmarkt bezeichnen. Seit über 30 Jahren ist er bei der Firma Carl Geisser beschäftigt, zuerst als Vertriebsingenieur, später als Geschäftsleiter. Dieses Jahr übergibt er das Unternehmen an seinen Sohn Marc. Carl Geisser vertritt namhafte Unternehmen wie Pfannenberg, Steute, Habermann-Transformatoren, Druseidt, Dessauer und Sontheimer. Es beliefert und berät Kunden in der Schweiz sowie im Fürstentum Liechtenstein. Die at – Aktuelle Technik unterhielt sich mit Vater Bruno Senn und Sohn Marc über Vergangenes und Zukünftiges.

Aktuelle Technik: Herr Senn, über 30 Jahre sind eine lange Zeit auf dem Technologie- und Automationsmarkt. Was war Carl Geisser für ein Unternehmen, als Sie es übernahmen?

Bruno Senn: Ich trat 1991 erneut in das Unternehmen ein. Ich war bereits vorher im Verkauf bei Carl Geisser. Zwischendurch war ich Verkaufsleiter bei einem anderen Unternehmen. Dann verstarb Carl Geisser und es wurde ein Nachfolger gesucht.

Sie haben also den Gründer Carl Geisser noch «live» erlebt. Was war er für eine Person?

B. Senn: Er war ein Mann der alten Garde, ein klassischer Patron. Und er war Appenzeller und ich auch ein halber, wahrscheinlich verstanden wir uns deshalb so gut (lacht). Als er verstarb, kontaktierten mich die bisherigen Partner, also die Geschäftsleitungen der Firmen Pfannenberg und Elan, da sie eine Nachfolgeregelung suchten. So kam ich ins Spiel. Ich hatte immer eine gute Beziehung zu unseren Geschäftspartnern. Mit dem Sohn von Carl Geisser, Meinrad Geisser, welcher seinerzeit Weidmüller leitete, kam ich so ins Gespräch und er bot mir die Stelle als Geschäftsführer an. Ich war damals gerade mal 30 Jahre alt und noch mitten in einer Betriebswirtschaftsausbildung. Es war für mich zwar etwas gar früh, aber wann ist schon der richtige Zeitpunkt? Also nahm ich das Angebot an. Ich wollte mich zudem am Unternehmen beteiligen, das deckte sich mit dem Wunsch der Partner. Ich hatte von Anfang an eine Minderheitsbeteiligung am Unternehmen.

Wurde während Ihrer Zeit als Geschäftsführer das Produkteportfolio ausgebaut?

B. Senn: Bei einer Handelsfirma ist es normal, dass immer wieder neue Produkte dazukommen. Dabei achteten wir immer darauf, was unser bisheriges Produkteportfolio gut ergänzt. Die Kunden bevorzugen es, bei möglichst wenigen Zulieferern ihre Produkte zu beziehen. Es musste für uns zum Schaltschrank passen, also zum Beispiel Transformatoren oder Kupferteile.

Ihr heutiges Produktportfolio für die Automatisierung ist doch recht breitbandig. Zum Beispiel bietet die Firma Komponenten für den Ex-Bereich an, was ein Spezialwissen voraussetzt. Welche Kompetenzen müssen die Mitarbeiter mitbringen, damit sie bei Carl Geisser erfolgreich agieren können?

B. Senn: Seit der Übernahme war Ex-Schutz bei uns ein Thema, da die Firma Pfannenberg derartige Produkte anbot. Dieses Unternehmen ist unser ältester Partner. Mit ihm arbeitet Carl Geisser schon über 60 Jahre zusammen. Es ist richtig und wichtig, in diesem Gebiet die entsprechende Fachkompetenz mitzubringen, um die Kunden kompetent zu beraten. Unsere Organisation ist so aufgebaut, dass wir für jeden Fachbereich einen Produktmanager haben. Diese verfügen über einen vertieften technischen Background und die entsprechenden Produktkenntnisse. Den klassischen Aussendienstler, wie wir ihn von der Vergangenheit kennen, gibt es heute nicht mehr. Die Kunden möchten einen Besuch, wenn ein konkretes Projekt vorliegt. Dann erwarten sie jedoch eine kompetente Beratung. Für den regelmässigen «Anstandsbesuch» haben sie keine Zeit. Der Aussendienst-Berater und der Produktmanager kann auch dieselbe Person sein. Für uns ist es wichtig, dass wir die Sprache der Kunden sprechen und wir sie richtig verstehen. Mehr Nutzen und Wertschöpfung für unsere Kunden, das ist unser Credo.

In welche Industriezweige liefert Carl Geisser die Produkte? Die Ex-Produkte sind ja bevorzugt in der Chemie oder bei Mühlen in der Lebensmittelbranche gefragt.

B. Senn: Da wir Produkte für den Ex-Bereich sowohl für die Zonen 1 und 2 (Gas) beziehungsweise 21 und 22 (Staub) in unserem Portfolio haben, sind unsere Kunden vorwiegend in den Bereichen Lebensmittel, Holz, Chemie und zudem in der Herstellung von Benzin beheimatet. Ansonsten beliefern wir mit unseren Produkten praktisch den gesamten Industriemarkt.

Ab Mai wird Ihr Sohn Marc die Geschäftsleitung übernehmen. Gedenken Sie selbst in naher Zukunft kürzertreten?

B. Senn: Ich nahm mir seinerzeit vor, mit 65 die Firma zu übergeben. So habe ich das gegenüber meinem Sohn immer kommuniziert. Nun bin ich 63 und nun findet die Übergabe bereits im Mai statt. Den Anstoss dazu erhielt ich anlässlich eines Vortrages von einem Philosophen im letzten Jahr. Sinngemäss war der Titel «Wie bleibe ich glücklich im Pensionsalter». Zuerst wusste ich nicht, was ich dort sollte. Allerdings kam am Schluss des Referats für mich die entscheidende Aussage: «Wenn hinter Ihnen ein Nachwuchstalent wartet, dann machen Sie endlich einen Schritt auf die Seite. Lassen Sie es vor und unterstützen Sie es aus dem Background.» Ich empfing diese Aussage praktisch als Ohrfeige. Somit war für mich innert zwei Tagen der Entscheid gefallen, das Unternehmen bereits dieses Jahr zu übergeben. Ich bleibe dem Unternehmen allerdings noch eine Zeit lang erhalten. Praktisch wie ein Anker stehe ich noch für Unterstützung zur Verfügung.

Wie kam diese Nachricht bei den Mitarbeitenden an?

Marc Senn: Da ich schon seit neun Jahren im Unternehmen arbeite, wurde die Nachricht erwartet und dementsprechend gelassen aufgenommen.

Welches Zukunftsbild zeichnen Sie für Ihre Firma, wie sehen Ihre Visionen und Rezepte aus?

M. Senn: Grosse Veränderungen sind vorerst nicht geplant, eher eine Konsolidierung. Zuerst werde ich mit allen Mitarbeitenden sprechen und ihre Erwartungen für das Unternehmen erfragen und auch meine erörtern. Anschliessend werde ich meine «ambitionierten» Ziele vorstellen. Wichtig ist es, die Mitarbeitenden ins Boot zu holen, ohne sie kann ich nichts ausrichten.

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B. Senn: Wesentlich scheint mir, dass sowohl die Mitarbeitenden als auch unsere Partner eine Zukunft mit Carl Geisser sehen und nicht im Ungewissen gelassen werden. Nach der Übergabe werde ich zuerst mal für vier Wochen in die Ferien gehen, um auch wirklich loslassen zu können. Es ist mir wichtig, dass es einen klaren Schnitt gibt.

Schlussfrage: Wie werden Sie bei Carl Geisser das 75-Jahr-Jubiläum feiern?

M. Senn: Natürlich planen wir, dieses Ereignis zu feiern. Allerdings im kleineren Rahmen mit denen zusammen, die den Erfolg von Carl Geisser ausmachen: den Mitarbeitenden und unseren wichtigsten Partnern. Zuerst besuchen wir das Napoleon-Museum in Arenenberg. Nach der anschliessenden Bootstour beschliessen wir den Tag mit einem gediegenen Abendessen inklusive Rahmenprogramm.

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