Digitaler Zwilling «Der digitale Zwilling verändert die Industrie massgeblich»

Von Eugen Albisser |

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Immer öfter hört man vom «digitalen Zwilling». Doch nur wenig Firmen beschäftigen sich wirklich damit. Wir haben bei ein paar Firmen nachgefragt, warum sie es tun und wie ihre Lösungen aussehen.

Musterbeispiel (auf Messe) der Firma Baumüller: Die Servopresse wurde bereits vorab simuliert und so optimal auf die Anforderungen des Maschinenbauers ausgelegt. Das Bewegungsprofil der realen Servopresse (links als Messe-Präsenter dargestellt) ist nahezu identisch mit seinem digitalen Zwilling, der simulierten Version (rechts).
Musterbeispiel (auf Messe) der Firma Baumüller: Die Servopresse wurde bereits vorab simuliert und so optimal auf die Anforderungen des Maschinenbauers ausgelegt. Das Bewegungsprofil der realen Servopresse (links als Messe-Präsenter dargestellt) ist nahezu identisch mit seinem digitalen Zwilling, der simulierten Version (rechts).
(Bild: Baumüller)

Eugen Albisser – Würden Sie sagen, dass der «digitale Zwilling» sich seit letztem Jahr als richtungsweisender Trend etabliert hat?

Siemens: Ja, der digitale Zwilling verändert die Industrie massgeblich. Nachdem die Digitalisierung Optimierungen in der gesamten Prozesslandschaft mit sich gebracht hat, gilt es nun die Möglichkeiten auf der Produktions- und Produktebene zu nutzen. Die Erfassung, der Austausch und die Dokumentation aller relevanten Daten sind so einfach wie nie zuvor — der digitale Zwilling ist die logische Konsequenz.

B&R: Mit dem Industrial IoT werden bekannte Netzwerk-Architekturen vor neue Herausforderungen gestellt. Die Notwendigkeit der Vorverarbeitung aufgenommener Daten an der Maschine setzt den Fokus daher auf die Edge Architektur. Echtzeitanforderungen und die Umsetzung der Datenverarbeitung sind wesentliche Merkmale eines ganzheitlichen Lösungsansatzes. In diesem Zusammenhang spielen digitale Zwillinge eine Rolle. Die Virtualisierung erlaubt bereits heute einen Aufbau aussagekräftiger Modelle, um das steuerungstechnische Verhalten des Antriebsstrangs oder der Regelungsmodelle zu simulieren. Dies erlaubt eine frühzeitige Detektion von zukünftigen Herausforderungen. Zur bestmöglichen Vernetzung müssen Maschinen semantische Schnittstellen besitzen. So können zum Beispiel Prozessdaten in hoher Auflösung für erweiterte Analysen bereitgestellt oder in funktional verkettete Systeme integriert werden.

Baumüller: Ja, ich sehe das genauso. Gerade im Maschinen- und Anlagenbau nehmen Komplexität und Anforderung nach erhöhter Flexibilität bei neuen Maschinen stetig zu. Dies führt zu erhöhtem Engineering- und Inbetriebnahme-Aufwand und letztlich zu gesteigerten Kosten bei den Maschinenbauern. Durch die Erstellung eines digitalen Zwillings kann das Maschinenverhalten schon im Entwicklungsstadium abgebildet werden, obwohl die Maschine real (noch) nicht vorhanden ist. Damit verringert sich der Engineering-Aufwand, da die Software schon während der Erstellung an der virtuellen Maschine getestet und frühzeitig von Fehlern bereinigt werden kann. Darüber hinaus bewertet ein digitaler Zwilling das Zusammenspiel der einzelnen Maschinenkomponenten schon im Voraus. Der digitale Zwilling ermöglicht also einen effizienteren und qualitativ verbesserten Entwicklungsprozess.

Warum beschäftigt sich ihre Firma mit dem «digitalen Zwilling»?

Siemens: Für Siemens ist der digitale Zwilling der Inbegriff der Digitalisierung. Unsere Kunden können so zielgerichtet auf Probleme reagieren und Prozesse optimieren. Da Siemens selber ein produzierendes Unternehmen ist, sind sämtliche Innovationen in diesem Bereich auch eine enorme Chance, um die eigene Flexibilität, Qualität sowie Effizienz zu erhöhen.

B&R: Durch die steigende Zahl von variantenreichen Kleinserien stehen KMU vor der Herausforderung, Fertigungszellen wirtschaftlich zu betreiben. Die in diesem Zusammenhang fortschreitende Digitalisierung — beziehungsweise die Virtualisierung der Maschinen sowie deren Vernetzung — sind für B & R wesentliche Themen in der Technologie-Entwicklung. Die Vorteile daraus sind enorm. Die Highlights:

– Hohes Marktpotenzial durch End-to-End-Lösungen
– Voll skalierbare Hardware-Lösungen
– Hohe Datenverarbeitung im Edge-Bereich
– Konnektivität vom Sensor bis in die Cloud

Baumüller: Durch den digitalen Zwilling können wir die Maschinen unserer Kunden mithilfe komplexer mathematischer Methoden optimieren. Gerade bei Applikationen mit nicht linearen Antriebsmechaniken, wie beispielsweise Servopressen, setzen wir bei Baumüller seit mehreren Jahren auf den digitalen Zwilling und können so die Auslegung und Ansteuerung der Maschinen perfektionieren. Die durch die Simulation gewonnenen Erkenntnisse können dann direkt in die Realität überführt werden und führen dazu, dass die reale Maschine — ohne den sonst nötigen Aufbau eines Prototyps — bereits optimiert ist. Mithilfe des «digitalen Zwillings» können wir also unsere Automatisierungslösungen optimal an die Kundenbedürfnisse anpassen.

Wie können Kunden von Ihrem Know-how profitieren?

Siemens: Siemens ist Vorreiter in der Industrie 4.0 und bietet mit der Digital Enterprise Suite ein integriertes Portfolio von Software-basierten Lösungen und Automatisierungssystemen, um die Wertschöpfungskette durchgängig zu digitalisieren und horizontal zu integrieren. Das offene IoT-Betriebssystem «Mind-Sphere» erlaubt es, Produktionsanlagen und Produkte im Einsatz zu analysieren und Erkenntnisse für fortlaufende Optimierungen zurückzuspielen.

B&R: B & R gehört zu den Innovationsführern und engagiert sich in mehreren Gremien für Interoperabilität, welche die Basis für Industrial-IoT-Konnektivität bildet. An der SPS 17 in Nürnberg zeigte B & R in Echtzeit, wie ein digitaler Zwilling in der Cloud angezeigt wird. Unter anderem ermöglicht das die Kommunikations-Technologie OPC UA TSN, mit der sich perfekt synchronisierte mechanische Abläufe umsetzen lassen. Damit können Prozesse noch präziser aufeinander abgestimmt und es kann damit enger getaktet werden. Das heisst: In der gleichen Zeit lassen sich immer mehr Arbeitsschritte abwickeln.

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Baumüller: Wir bieten unseren Kunden getestete Bausteine der Baumüller-­Antriebskomponenten wie Servomotor und -umrichter in MATLAB/Simulink. Diese Bausteine können von unseren Kunden direkt in ihre Maschinensimulation eingebunden werden. So kann beispielsweise das Verhalten der Maschine an anderen Netzspannungen (z. B. USA oder Japan) durch Verändern von lediglich einem Simulationsparameter präzise abgebildet werden.

Baumüller bietet zudem Engineering-Dienstleistungen für Simulationen an und realisiert für seine Kunden, z. B. für Pressen, die komplette Maschinenauslegung, basierend auf den Modelldaten der geplanten Maschine. Nach Fertigstellung der Maschine kann das Modell auch zur Analyse und Optimierung des Produktionsprozesses verwendet werden.

Schon seit einigen Jahren arbeitet Baumüller im Bereich Modellbildung und Simulation mit führenden Maschinenherstellern u. a. aus den Bereichen Kunststoff und Verpackung zusammen. Baumüller ist damit in allen Phasen der Umsetzung ein kompetenter Partner für den Maschinenbauer.

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